Ein Priester im Bistum München ist schon 1986 wegen eines sexuellen Übergriffs verurteilt worden - aber immer noch als Priester tätig.

Hamburg. Im sonntäglichen Gottesdienst machte die Gemeinde ihrem Ärger Luft. Der Pfarrer, der in Bad Tölz tätig ist, hatte sich zwar durch den Pfarrverbandsvorsitzenden Rupert Frania vertreten lassen - trotzdem kam es zu einem Eklat. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" .

Frania habe den Fall im Gottesdienst vorsichtig angesprochen und das Gleichnis vom verlorenen Sohn zitiert. Die Gemeindemitglieder hätten protestiert. "Ich kann das nicht hören", habe ein junger Mann gerufen. "Sie können doch jetzt nicht mehr ablenken." Einige hätten geklatscht, andere aber auch "Halt den Mund!" gerufen.

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Der 1986 verurteilte Priester war 2008 nach Bad Tölz geschickt worden - unter der Auflage, dass er dort keine Jugendarbeit mehr machen dürfe. Laut Frania liegt eine eidesstattliche Erklärung des Mannes vor, dass in Tölz "absolut nichts" passiert sei.

Schlagzeilen machte der Fall auch, weil der Priester 1980, als er bereits als pädophil bekannt war, ins Bistum München/Freising wechselte - mit Wissen des damaligen Bischofs Joseph Ratzinger, inzwischen Papst Benedikt XVI. Bislang hat der Papst dazu geschwiegen. Jetzt sagte der Kurienerzbischof Rino Fisichella, Benedikt XVI. sei „entschlossen“, im Missbrauchsskandal neue Maßnahmen gegen darin verwickelte Priester zu erlassen.

Der Papst sitze hinsichtlich der bekannt gewordenen Missbrauchsfälle „nicht in einem Elfenbeinturm“, sagte der Präsident der päpstlichen Akademie für das Leben der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“ (Montagsausgabe). Das Oberhaupt der katholischen Kirche sei im Gegenteil eine „klar denkende Persönlichkeit“, die die nötigen Maßnahmen bei der Auswahl der Kandidaten für die Priesterweihe ergreifen könne.

Der Papst hatte Missbrauchsfälle in Irland im Dezember als „abscheuliche Verbrechen“ verurteilt und einen Hirtenbrief zu dem Skandal angekündigt. Dieser in naher Zukunft geplante Hirtenbrief werde eine „neue Darlegung“ der „klaren Positionen“ des Papstes sein, sagte Fisichella. Im November war in Irland ein Untersuchungsbericht veröffentlicht worden, der katholischen Würdenträgern der Erzdiözese Dublin vorwirft, über Jahrzehnte Vergewaltigungen und Misshandlungen von Kindern durch Geistliche verschwiegen zu haben.

Etwaige neue Maßnahmen bei der Auswahl der Priester könnten sich an den Erfahrungen und Lehren der USA orientieren, die diese aus ihren eigenen Missbrauchsfällen gezogen hätten, sagte der Erzbischof der Zeitung. Er habe bei der Auswahl für die Priesterweihe eine „achtsame Urteilsfähigkeit“ in den USA beobachtet, nachdem dort die Kirche ebenfalls von Missbrauchsfällen erschüttert worden war.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte unterdessen das Vorgehen des Vatikans angesichts der Missbrauchsfälle in Deutschland. Es sei für die Bundesregierung ein gutes Zeichen, dass Erzbischof Robert Zollitsch für das Vorgehen der deutschen Bischöfe „ausdrücklich die Rückendeckung des Vatikans“ habe, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans. Wörtlich sagte er: „Wir sind in erster Linie zufrieden damit, was Erzbischof Zollitsch als Botschaft aus dem Vatikan mitgebracht hat.“

Nach Angaben des Sprechers von Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger (FDP), Ulrich Staudigl, steht mittlerweile ein Gesprächstermin der Ministerin mit Erzbischof Zollitsch fest. Wann dieser Termin konkret sei, ließ Staudigl offen.

In der Debatte um die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen hatte die Justizministerin vor drei Wochen mit deutlicher Kritik am kirchlichen Kurs für Empörung der Bischöfe gesorgt. Seitdem äußerte sie sich dazu in zahlreichen Interviews. Ein Termin mit Zollitsch kam jedoch nicht zustande.