Die Forschungsgruppe Wahlen sieht die bundesweit geringe Beteiligung an den Wahlen zum Europaparlament als Hauptgrund für den Absturz der SPD.
Berlin/Hamburg. Die ausgesprochen schwache Beteiligung an der Europawahl ist nach Einschätzung der Forschungsgruppe Wahlen einer der Hauptgründe für das schlechte Abschneiden der SPD. Europäische Themen hatten nur eine geringe Bedeutung, teilte die Forschungsgruppe mit. Für 57 Prozent der Befragten stand bei ihrer Entscheidung die Bundespolitik im Vordergrund.
Das ist die Analyse im Einzelnen:
Keine Testwahl: Der Wahlausgang ist nach Ansicht der Forscher nicht als Test für die Entscheidung im Bund am 27. September geeignet, nehmen an der Bundestagswahl doch rund doppelt so viele Wähler teil. Bei niedriger Wahlbeteiligung gelinge es der Union traditionell besser als der SPD, ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Auch der Anteil der Splitterparteien wird bei der Bundestagswahl wesentlich niedriger sein.
Ausgangslage der Gewinner und Verlierer: Für die Gewinne und Verluste der Parteien sind nach Ansicht der Forschungsgruppe zunächst die besondere Ausgangslage der Parteien 2004 sowie die aktuelle innenpolitische Situation verantwortlich. Nur für 36 Prozent stand bei ihrer Wahlentscheidung das Geschehen im EU-Parlament im Vordergrund.
SPD profitiert nicht von höherem Ansehen: Die SPD konnte an der Wahlurne nicht davon profitieren, dass ihr Parteiansehen auf der +5/- 5-Skala im Vergleich zu 2004 ganz erheblich gewachsen ist. Mit einer Bewertung von 0,8 (2004: minus 0,4) rangiert die SPD jetzt auf einem Niveau mit der CDU/CSU (0,9; 2004: 0,5). War die Europawahl 2004 vor allem ein Votum gegen die damalige Bundesregierung von Gerhard Schröder, bekommt die Große Koalition mit 0,5 jetzt eine wesentlich bessere Note als Rot-Grün 2004 (minus 1,3).
Die Kanzler-Frage: Für ihre Arbeit werden CDU/CSU und SPD heute zwar ganz ähnlich bewertet, in der Kanzler-Frage hat die Union aber einen klaren Vorteil: 52 Prozent wollen Angela Merkel und 27 Prozent Frank-Walter Steinmeier als Regierungschef im Bund. Dies zeigt die strukturelle Schwierigkeit der SPD, die als Juniorpartner der Großen Koalition wahrgenommen wird.
Desinteresse am EU-Parlament: Für die erneut geringe Wahlbeteiligung ist weniger Verdruss oder Europaskepsis verantwortlich als vielmehr Desinteresse und die als gering wahrgenommene Bedeutung der europäischen Parlamentsebene. Während sich ganz allgemein 45 Prozent der Befragten stark für Politik interessieren, sind es mit Blick auf Europa nur 30 Prozent.
Union behält ihr Altersproblem: Mit 48 Prozent erzielt die Union bei Wählern ab 60 Jahren ihr bestes Ergebnis, allerdings schneidet sie in allen anderen Altersgruppen deutlich unterdurchschnittlich ab. Bei den 30- bis 44-Jährigen sind es 34 Prozent, bei den 45- bis 59-Jährigen 33 Prozent und bei den unter 30-Jährigen nur noch 29 Prozent. Die SPD kommt ebenfalls bei den Wählern ab 60 Jahren auf ihr bestes Ergebnis (25 Prozent), zu den anderen Altersgruppen ist der Abstand aber nicht ganz so groß, am schlechtesten schneidet sie bei den 30- bis 44-Jährigen mit 17 Prozent ab. Die Grünen werden in allen Altersgruppen bis 59 Jahren jeweils drittstärkste Kraft. Die FDP wird in allen Altersgruppen zweistellig mit Ausnahme der Wähler ab 60 Jahren, bei denen sie 9 Prozent erreicht.