Nach der schlechten Abschneiden bei der Europawahl hat die stellvertretenden SPD-Vorsitzende Andrea Nahles jetzt Parteichef Franz Müntefering kritisiert.
Hamburg. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Parteilinke Andrea Nahles hat Franz Müntefering unmittelbar vor Beginn des SPD-Parteitags am Sonntag dazu aufgefordert, seinen Anspruch auf die erneute Kandidatur zum SPD-Vorsitzenden bis zur Bundestagswahl zurückzustellen. „Wenn er kandidiert, finde ich das gut. Aber wir haben jetzt die Strecke bis zum 27. September in den Blick zu nehmen und nicht einen Parteitag im November 2009“, sagte Nahles dem „Hamburger Abendblatt“ (Freitagsausgabe). Müntefering hatte am Dienstag überraschend bekannt gegeben, dass er 48 Tage nach der Bundestagswahl auf dem ordentlichen Wahlparteitag erneut für den Bundesvorsitz kandidieren wolle.
Vom Bundesparteitag am kommenden Sonntag müssten drei Signale ausgehen, sagte Nahles: „Selbstbewusstsein, Entschlossenheit – und Rückendeckung für unseren Frontmann Frank-Walter Steinmeier.“ Die gesamte Partei sei gefordert, zu signalisieren: "Wir wollen und wir werden das gemeinsam schaffen“, appellierte Nahles an die Geschlossenheit der Partei.
Das Europawahlergebnis bezeichnete Nahles als „Warnschuss, aus dem wir Konsequenzen zu ziehen haben." „Zu viele unserer Anhänger säßen derzeit auf der Zuschauertribüne und seien noch ein wenig skeptisch. „Diese Menschen wollen umworben werden. Wir können das erfolgreich tun, wenn wir es schaffen, deutlich zu machen, dass die Priorität der SPD der Erhalt jedes einzelnen Arbeitsplatzes ist.“ Nahles forderte aber: „Wir brauchen hier eine Zuspitzung, die im Bundestagswahlkampf besser möglich ist als bei der Europawahl.“
Die Stimmung in der Partei sei aber nach der Europawahl „nicht so schlecht, wie unsere Gegner das gerne hätten“, betonte Nahles. „Die SPD ist ein Löwe“, sagte sie dem Hambuger Abendblatt. „Wir haben Selbstbewusstsein, gespeist aus Erfahrung. Und wir wissen, wie schnell sich das Blatt nach so einem Wahlergebnis wenden kann. Unsere Gegner übrigens auch, und davor haben sie Angst.“
Zugleich warf Nahles Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im politischen Streit um Arcandor vorgeworfen, aus Wahlkampfgründen mutwillig Zehntausende von Arbeitsplätzen zu gefährden. „Merkel und Guttenberg wollten an Arcandor ein Exempel statuieren, das da lautet: Der Markt braucht den Staat doch nicht“, sagte sie. „Um diese Botschaft aussenden zu können, gefährden die beiden nun mehrere Zehntausend Arbeitsplätze. Aber das ist ihnen die Sache offensichtlich wert.“ Nahles bezeichnete diese Zerschlagung als voreilig.
Über zu Guttenberg sagte die SPD-Linke: „Das ist sicherlich ein ganz netter Kerl, wenn man ihn trifft. Nur leider nützt das den Arbeitnehmern von Karstadt und Quelle gar nichts. Ich bedauere, dass Guttenberg ein ordnungspolitischer Dogmatiker ist, der Arbeitsplätze aufs Spiel setzt, um in Wirtschaftszeitungen glänzen zu können“, verschärfte Nahles die Attacken ihrer Partei auf den CSU-Politiker. „Er war vielleicht ein passabler Außenpolitiker. Er hätte besser in diesem Fach bleiben sollen“, so Nahles.