Debatte gewinnt an Schärfe. FDP-Generalsekretär Döhring spricht von “bestellten Zahlen“. OECD kritisiert Zuschussrente als nicht weitreichend genug.
Düsseldorf/Osnabrück. Die Kritik an Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in der Debatte über eine Zuschussrente gewinnt an Schärfe. FDP-Generalsekretär Patrick Döring warf der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden vor, Zahlen, die die Dringlichkeit ihres Konzepts gegen Altersarmut belegen sollen, bestellt zu haben. Dies wies der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder (CDU), zwar zurück, bekräftigte aber zugleich seine Kritik an der Zuschussrente. Auch die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, lehnte das Konzept ab.
Döring sagte dem „Handelsblatt“, von der Leyen habe sich mit ihrem Vorstoß „völlig vergaloppiert“. Er fügte hinzu: „Mit den bestellten Zahlen kann sie offensichtlich nicht einmal die eigenen Parteifreunde überzeugen.“
Mißfelder sagte im Deutschlandfunk, er stimme Dörings Einschätzung zur Entstehung der von der Ministerin verwendeten Daten nicht zu. Es gebe verschiedene Modelle, die etwa eine unterschiedliche Lebensarbeitszeit zugrunde legten. Mißfelder sagte aber, man müsse „über die Interpretation der Zahlen streiten“. Es gebe „große Zweifel“, ob tatsächlich große Teile der Mittelschicht künftig von Altersarmut bedroht seien.
Nach dem Willen der Arbeitsministerin sollen Geringverdiener, die lange gearbeitet und privat vorgesorgt haben, im Alter künftig auf einen Zuschuss aus der Rentenkasse und vom Staat hoffen können. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat am Mittwoch vor Beginn der eigentlichen Kabinettssitzung Vorbehalte zu den Plänen geäußert . Die „Bild“-Zeitung zitierte die Kanzlerin unter Berufung auf Teilnehmer mit den Worten: „Je besser ich die Zahlen kenne, desto stärker wachsen meine Zweifel.“
Hasselfeldt unterstrich in der „Passauer Neuen Presse“, zwischen Versicherungs- und Sozialleistungen solle klar getrennt werden. „Fürsorge ist nicht Aufgabe unseres gesetzlichen Rentensystems“, betonte die CSU-Bundestagsabgeordnete. Es sei richtig, dass das Thema Altersarmut oben auf der Tagesordnung stehe, doch die Zuschussrente sei für sie „nicht die richtige Lösung“, erklärte Hasselfeldt.
Man stehe erst am Anfang der Debatte. Bei der Entscheidung, was gegen Altersarmut getan werden solle, dürfe man sich „nicht unter Zeitdruck setzen lassen“, mahnte die CSU-Politikerin. Aus ihrer Sicht lege von der Leyen „eine zu geringe Zahl von Beitragsjahren zugrunde“, private Vorsorge, Betriebsrenten und Erziehungszeiten würden zu wenig berücksichtigt.
+++ Die Zweifel an der Zuschussrente wachsen +++
+++ Von der Leyen kämpft für die Zuschussrente +++
+++ Arbeitsministerin von der Leyen warnt vor Altersarmut +++
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat den von der Leyens Vorschlag für eine Zuschussrente als nicht weitreichend genug kritisiert. Die OECD-Rentenexpertin Monika Queisser sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstagsausgabe): „Wahrscheinlich werden nicht allzu viele Menschen die Voraussetzungen für die Zuschussrente erfüllen.“
„Abgehängt werden etwa die Langzeitarbeitslosen oder Frauen, die lange in 400-Euro-Jobs gearbeitet haben“, sagte die OECD-Sozialexpertin. Dies gelte auch für kleine Selbstständige, die nicht wie Anwälte oder Ärzte einen eigenen Versorgungsanspruch hätten. Langfristig nötig sei ein Systemwechsel hin zu einer flächendeckenden Altersversicherung für alle: „Deutschland sollte einen Schritt weitergehen und zum Beispiel eine steuerfinanzierte Grundrente garantieren.“
Queisser betonte, die Realität auf dem deutschen Arbeitsmarkt habe sich inzwischen sehr verändert. „Deutschland hat einen der größten Niedriglohnsektoren in der OECD“, sagte sie. „Von der Zuschussrente profitieren nur die, die durchgehend in das System eingezahlt haben. Alle anderen bleiben außen vor.“
mit Material von dapd und edpd