Jedem Dritten droht Armut im Alter. Nötig wäre: längeres Arbeiten und der Mindestlohn
So ein Renten-Schock tut nicht gut: Wer weniger als 2500 Euro verdient, muss später als Rentner zum Sozialamt. Die neuesten Zahlen aus dem Bundesarbeitsministerium zeigen: Krankenschwestern, Pfleger, Köche, Physiotherapeuten oder Verkäufer werden im Alter auf Sozialleistungen angewiesen sein. Wohlgemerkt: Es handelt sich hier nicht um Niedriglohn-Berufe, sondern um die Mitte der Gesellschaft. Ein Drittel aller Vollzeitbeschäftigten verdient weniger als 2500 Euro.
Die Rente ist also nicht sicher. Die gesetzliche Rente ergibt für diese Arbeitnehmer überhaupt keinen Sinn mehr. Es ist unterm Strich egal, ob sie arbeiten und ihre Beiträge zahlen - oder nicht arbeiten und sich im Alter auf den Sozialstaat verlassen.
Das Rentenniveau wird bis zum Jahr 2030 von derzeit 51 Prozent auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns vor Steuern sinken. Diese Entwicklung wurde von der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung von Gerhard Schröder eingeleitet. Die private Altersvorsorge sollte die Versorgungslücken schließen. Doch viele Deutsche sind außen vor: Ihr Gehalt reicht nicht für eine Riester-Rente oder eine Lebensversicherung. Das muss man wissen, wenn man gebetsmühlenartig fordert: Sorgt mehr vor! Und doch gibt es zur privaten Vorsorge keine Alternative. Die Politik sollte es sich zur Aufgabe machen, die Gesellschaft noch viel umfassender über die private Altersvorsorge zu informieren.
Die Renten-Frage wird zuerst auf dem Arbeitsmarkt entschieden. Ein Viertel der Beschäftigten arbeitet im Niedriglohnsektor, für einen Stundenlohn von 6,68 Euro. Ihr Arbeitsleben besteht aus Leiharbeit, Minijobs und Werkverträgen. Diese Menschen sind arm trotz Arbeit, der Sozialstaat muss ihre Jobs mit Steuergeldern sponsern, damit sie über die Runden kommen können. Und später, im Alter, sind die Betroffenen erneut auf den Staat angewiesen. Die Zahl der Niedrigverdiener steigt. Die Lösung des Problems sind Mindestlöhne. Sie können verhindern, dass Beschäftigte weiterhin ausgebeutet werden und sich Unternehmen auf Kosten des Staates bereichern: Viele Firmen streichen den Profit gerne ein, den ihnen die Billiglöhne ermöglichen - und setzen quasi voraus, dass der Staat den Ausgebeuteten mit aufstockenden Leistungen hilft. Damit muss Schluss sein. Nur wer ein auskömmliches Einkommen hat, kann fürs Alter privat vorsorgen.
Und doch wird es weiterhin Niedrigverdiener geben, die auf die Hilfe des Staates angewiesen sind. Die Zuschussrente, die Arbeitsministerin Ursula von der Leyen gegen den Willen vieler Koalitionäre einführen will, wäre ein geeignetes Mittel gegen Altersarmut. Setzt dieses Instrument doch die private Altersvorsorge und mindestens 30 Jahre Beitragszahlungen der betroffenen Rentner voraus. Auf bis zu 850 Euro kann die Rente dann aufgestockt werden. In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, ob sich die Ministerin durchsetzen wird.
Und dann ist da noch ein Tabu: die Rente mit 69. Heute kommen auf 100 Beitragszahler knapp 60 Rentner. Im Jahr 2030 kommt auf jeden Beitragszahler ein Rentner. Die Lebenserwartung steigt, die Zahl der Beitragszahler sinkt. Unser Generationenvertrag kann nur Bestand haben, wenn die gesetzliche Rente sicher ist. Die längere Lebensarbeitszeit ist der Weg dorthin. Die Wirtschaftsweisen haben die Rente mit 69 schon vor über einem Jahr gefordert. Der Internationale Währungsfonds hat vorgeschlagen, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. Das sind gute Ideen. Die Bundesregierung wird sich ein Jahr vor der Bundestagswahl kaum trauen, auf diese Ideen einzugehen.
Schade eigentlich. Denn so ein Renten-Schock sollte dazu führen, sich unbequemen Fragen zum Thema Rente zu stellen.