Bundesarbeitsministerin: Habe “guten Kompromiss“ vorgelegt. Pläne wiesen auf Lücke hin, die seit der Reform 2003 weiter auseinanderklaffe.
Berlin/Hamburg. Trotz der auch in ihrer Partei wachsenden Kritik an ihren Plänen für eine Zuschussrente für Geringverdiener gibt sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zuversichtlich. „Ich gehe fest davon aus, dass die Zuschussrente kommt“, sagte sie. Unterstützung erhielt sie vom früheren Vorsitzenden des Wirtschafts-Sachverständigenrates, Bert Rürup. Von der Leyens Parteikollege, Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, hingegen warnte vor der Einführung neuer Sozialleistungen. Auch der Vorsitzende des Sozialbeirats der Bundesregierung, Franz Ruland, und der Präsident des Bundesverbands der Rentenberater, Martin Reißig, lehnten die Rentenpläne der Ministerin ab.
Mit ihrem Vorstoß habe sie einen „guten Kompromiss“ vorgelegt, sagte von der Leyen der "Bild“-Zeitung. Ihre Pläne wiesen auf eine Lücke im Rentensystem hin, die seit der Reform 2003 mit jedem Jahr weiter auseinanderklaffe. Jemand, der sein ganzes Leben lang fleißig gearbeitet und vorgesorgt hat, darf am Ende nicht so wenig Rente bekommen, dass er im Alter auf staatliche Grundsicherung angewiesen ist." Im Übrigen hätten fast alle hochindustrialisierten Länder einen Rentenausgleich für Geringverdiener.
Vorwürfe der Deutschen Rentenversicherung, dass die Berechnungen ihres Ressorts als zusätzliche Argumentation zugunsten der Einführung einer Zuschussrente nicht geeignet seien, wies die CDU-Politikerin zurück. “Wir haben das Modell für verschiedene Fälle durchgerechnet. Wer zum Beispiel 45 Jahre arbeitet und 2.000 Euro brutto verdient, bekommt im Alter auch nur bisschen mehr als die heutige Grundsicherung von 688 Euro."
Rürup: Pläne vernünftig – aber überfrachtet
Rürup, Rentenexperte und Mitglied des Vorstands der MaschmeyerRürup AG, sieht in den Plänen der Ministerin eine “vernünftige Idee". Doch von der Leyen überfrachte sie mit Dingen, die nichts damit zu tun hätten, etwa den Kindererziehungszeiten, sagte er der “Passauer Neuen Presse" (Mittwochausgabe). Das Hauptrisiko für Altersarmut seien Niedriglöhne – und nicht die von der Bundesregierung 2004 beschlossene Absenkung des Rentenniveaus von 51 auf 43 Prozent bis 2030. “Selbst wenn das derzeitige Rentenniveau nicht weiter abgesenkt würde, hätte jemand, der Zeit seines Lebens Vollzeit für 7,50 Euro Stundenlohn gearbeitet hat, eine Rente unter Grundsicherungsniveau."
Hessens Ministerpräsident Bouffier sagte der “Rheinischen Post" (Mittwochausgabe): “Ich warne davor, jetzt neue Sozialleistungen zu beschließen, die in den kommenden Jahren zu einem immer größer werdenden finanziellen Kraftakt für den Staat aufwachsen und die künftigen Generationen belasten."
Das vorgelegte Modell von der Leyens werfe “viele Fragen auf und benachteiligt die unterschiedlichsten Gruppen", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende. “Wenn wir schon die Rente von Geringverdienern aufbessern wollen, dann ist das eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und sollte deshalb über das Steuersystem und eine noch bessere Förderung der privaten Altersvorsorge geschehen."
Ruland nennt Berechnungen von der Leyens “ärgerlich"
Der Vorsitzende des Sozialbeirats der Bundesregierung, Ruland, nannte die Zahlen der Ministerin “ärgerlich, weil mit ihnen wegen des untauglichen Versuchs, die Zuschussrente zu begründen, die Rentenversicherung schlecht geredet wird". Es gelinge dem Ministerium nicht, mit seinen Berechnungen die Notwendigkeit einer Zuschussrente zu begründen, sagte Ruland der “Süddeutschen Zeitung" (Mittwochausgabe).
Die Berechnungen gingen von Personen aus, die 35 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt hätten. Jedoch werde die Altersgrenze für die Rente derzeit auf 67 angehoben, “Versicherte können also auf wesentlich mehr Zeiten kommen, die ihre Rente steigern; bei den meisten ist das heute schon der Fall."
Auch Martin Reißig, Präsident des Bundesverbands der Rentenberater, warf von der Leyen vor, die zukünftigen Renten in ihren Beispielen “nicht sachgerecht" errechnet zu haben. “Die Ministerin lässt dabei zukünftige Rentenzahlungen auf einen fiktiven Wert herunterrechnen, der mit der Realität nicht übereinstimmt", sagte Reißig derselben Zeitung. “Das ist eine echte Trickserei."