Merkel will Zuschussrente auf Tauglichkeit prüfen. Diskussion über Senkung des Rentenniveaus. FDP lehnt Pläne der Ministerin weiter ab.
Berlin/ Düsseldorf/Passau. Mit ihren Plänen für eine Zuschussrente für Geringverdiener steht Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) auf verlorenem Posten. Trotz eines geplanten Gesprächs der Ministerin mit Kritikern aus den eigenen Reihen am Mittwoch bekräftigten deren Wortführer ihre grundsätzlichen Bedenken. Insbesondere die Junge Gruppe von CDU und CSU im Bundestag befürchtet zusätzliche Belastungen für die jüngere Generation. Die FDP bekräftigte ihre Kritik an dem Konzept ebenfalls und auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich zurückhaltend.
+++Wirtschaftspolitiker der Union weiter gegen Zuschussrente+++
+++Von der Leyen kämpft für die Zuschussrente+++
Die Zuschussrente soll verhindern, dass Geringverdiener, die lange gearbeitet und privat vorgesorgt haben, im Ruhestand auf Grundsicherung angewiesen sind. Wer die Bedingungen erfüllt, kann künftig auf eine Rente von maximal 850 Euro hoffen.
Junge Abgeordnete von CDU und CSU kritisieren vor allem, dass dies auch aus Beitragsmitteln finanziert werden soll. Es bestehe die Gefahr, dass für die jüngere Generation „noch größere Belastungen entstehen“, sagte JU-Chef Philipp Mißfelder am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. Es müsse deshalb darüber geredet werden, „was das alles kosten soll und wer das am Ende auch bezahlen soll“. Mißfelder brachte als Alternative eine steuerfinanzierte Grundrente ins Gespräch.
Ähnlich äußerte sich der CDU-Sozialpolitiker Jens Spahn. „Wir sollten so ehrlich sein und über den Systemwechsel zu einer steuerfinanzierten Grundrente für alle diskutieren“, sagte er der „Berliner Zeitung“. Auch mit der Zuschussrente sei für junge Leute nicht mehr viel von der Rente zu erwarten.
Treffen von der Leyens mit Kritikern am Mittwoch
Am Mittwoch will sich von der Leyen mit Vertretern der Jungen Gruppe von CDU und CSU im Bundestag treffen, um Bedenken auszuräumen. Viele Niedriglohnempfänger ohne zusätzliche Altersvorsorge seien „Kandidaten für die Grundsicherung“, mahnte die Ministerin zuvor in einem Schreiben an die Abgeordneten, das der Nachrichtenagentur dapd vorliegt. Es müssten schnell Anreize für kleine und mittlere Einkommen zur künftigen Altersabsicherung gesetzt werden.
Ein Sprecher des Arbeitsministeriums betonte, es handle sich nicht um ein Problem, das nur Randgruppen betreffe. Berechnungen des Arbeitsministeriums zufolge müssten Arbeitnehmer 2.500 Euro brutto im Monat verdienen und 35 Jahre Vollzeit arbeiten, um wenigstens eine Rente in Höhe des Grundsicherungsbetrags von 688 Euro zu erhalten. Hintergrund für das steigende Altersarmutsrisiko ist die Rentenreform, nach der das Rentenniveau bis 2030 von derzeit 51 Prozent auf 43 Prozent des durchschnittlichen Nettolohns vor Steuern sinkt.
+++ Wohin treibt die Gesetzliche Rentenversicherung? +++
Regierungssprecher Steffen Seibert ließ am Montag offen, ob die Kanzlerin die Zuschussrente als geeignetes Konzept im Kampf gegen die Altersarmut erachtet. „Es ist ganz richtig, dass die Arbeits- und Sozialministerin den Blick auf das Problem der Altersarmut wirft“, sagte er. Dieses Thema müsse sehr umfassend betrachtet werden. Nun müsse aber darüber geredet werden, ob die angedachte Zuschussrente von der Leyens „diese systematische Antwort sein kann“.
Die FDP lehnte die Rentenpläne entschieden ab. Es müsse zwingend einen Zusammenhang zwischen bezahlten Beiträgen und den erwarteten Rentenzahlungen geben, sagte FDP-Generalsekretär Patrick Döring in Berlin. „Wir sollten sehr vorsichtig sein, das Vertrauen in das System nicht dadurch zu untergraben, indem wir innerhalb des Systems neue Umverteilungsmechanismen erfinden“, sagte er und kritisierte „die mediale Inszenierung der Frau Bundesarbeitsministerin.“
Von der Leyen will an Absenkung des Rentenniveaus festhalten
Nach Angaben von SPD-Fraktionsvize Elke Ferner erwägen die Sozialdemokraten eine Beibehaltung des derzeitigen Rentenniveaus. Dies habe aber auch eine schnellere Anhebung der Rentenbeiträge zur Folge, räumte Ferner in der „Saarbrücker Zeitung“ ein.
Die Linke bezeichnete es als unglaubwürdig, zuerst per Gesetz das Rentenniveau auf 43 Prozent zu senken, um sich dann über die Probleme zu beklagen. Die Linke fordere dagegen Mindestlöhne, um der Altersarmut vorzubeugen, sagte Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn.
Ein Sprecher des Arbeitsministeriums betonte am Montag, dass von der Leyen an der Senkung des Rentenniveaus grundsätzlich festhalten wolle. Dies zurückzudrehen, würde zulasten der jungen Generation gehen. Vielmehr müsse privat Vorsorge geleistet werden.
Ähnlich wie die Junge Gruppe von CDU und CSU wandten sich auch die Grünen gegen eine Finanzierung aus Beitragssätzen. „Wenn Frau von der Leyen wirklich etwas gegen Altersarmut machen möchte, dann muss sie eine steuerfinanzierten Garantierente für langjährig Versicherte einführen“, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast. Zugleich forderte sie die Einführung eines Mindestlohns.
Der Bundesvorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, warnte im ZDF davor, der Rentenversicherung eine weitere Sozialleistung aufzubürden. Dadurch würden gerade die jungen Beitragszahler zusätzlich belastet. Der CDU-Abgeordnete Jens Spahn sagte dem Bayerischen Rundfunk, die Jüngeren müssten „heute schon mehr in die Rentenversicherung einzahlen als jede andere Generation vor ihnen“. Spahn: „Jeder will ja was gegen Altersarmut tun, aber dann bedeutet das, dass die Jüngeren noch einmal mehr zahlen müssen für zusätzliche Leistungen.“
Unions-Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs (CDU) bekräftigte den Widerstand der CDU-Wirtschaftspolitiker. „Die Bekämpfung von Altersarmut ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Sie muss aus Steuermitteln und darf nicht mit dem Geld der Beitragszahler finanziert werden“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Montag). Notfalls müsse der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung erhöht werden.
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach machte in der „Passauer Neuen Presse“ (Montag) die Absenkung der Rentenniveaus sowie die Zunahme prekärer Beschäftigung für die drohende massenhafte Altersarmut verantwortlich. Da helfe auch von der Leyens Zuschussrente nicht. Bei der Zuschussrente seien die Hürden so hoch, „dass sie kaum jemand in Anspruch nehmen kann“. Der DGB forderte, auf die von der Koalition beschlossene Senkung des Rentenbeitrags zu verzichten und die Überschüsse in der Rentenkasse zu einer Demografie-Reserve auszubauen.
SPD-Fraktionsvize Elke Ferner bezeichnete in der „Saarbrücker Zeitung“ das Konzept von der Leyens als untauglich im Kampf gegen die Altersarmut. „Wegen der hohen Zugangshürden wird kaum jemand die Zuschussrente bekommen. Außerdem schafft sie neue Ungerechtigkeiten, weil viele Leute, die lange Vollzeit gearbeitet haben, am Ende auch nicht mehr Rente bekommen.“ Als Alternative diskutiere die SPD die Beibehaltung des jetzigen Rentenniveaus von 51 Prozent des Durchschnittlohns. Das hätte allerdings auch eine schnellere Anhebung der Rentenbeiträge als ursprünglich geplant zur Folge, räumte Ferner ein.
Die Arbeiterwohlfahrt warf der Bundesregierung vor, trotz der verheerenden Rentenprognosen immer noch kein schlüssiges Konzept gegen Altersarmut zu haben. Die Zuschussrente, die nach den Vorstellungen von der Leyens nur dann ausbezahlt werden soll, wenn zugleich private Vorsorge erfolgt ist, sei keine Lösung, sagte AWO-Vorsitzende Wolfgang Stadler. „Eine stärkere private Vorsorge gerade von denjenigen zu fordern, die jetzt schon wenig verdienen und damit wenig zum Leben haben, zeigt absolute Naivität.
Mit Material von dapd und dpa