Gesundheitsministerin Schmidt sieht auch in früheren Fahrten kein Fehlverhalten. Die SPD-Spitze weist Forderungen nach einem Rücktritt zurück.

Berlin. Auf seiner Deutschlandtour ist Frank-Walter Steinmeier gestern quer durch die Republik gereist, aber auch im rheinischen Emmerich - knapp 600 Kilometer von Berlin entfernt - wurde er von der sogenannten Dienstwagen-Affäre verfolgt. Und natürlich war ihm auch dieser Tag wieder dadurch verhagelt, dass alle Welt einmal mehr an der Entwicklung in der Sache Schmidt interessiert war als am SPD-Kanzlerkandidaten. Steinmeier hat versucht, sich das nicht anmerken zu lassen. Schon gar nicht im Katjes-Werk, wo er sich anschaute, wie man die schönen Dinge des Lebens produziert: Weingummis, Lakritze und Brausepulver.

Die Dienstwagen der deutschen Spitzenpolitiker:

Dennoch hat die Dienstwagenaffäre auch diesen Wahlkampftag überschattet, und ein Ende der Angelegenheit ist nicht abzusehen. Obwohl Steinmeier die Vorwürfe gegen Ulla Schmidt gestern als "scheinheilig" zurückgewiesen hat. Und gemeint hat, "ganz offensichtlich" gehe es "Interessierten darum, ein parteipolitisches Süppchen zu kochen".

Die Gesundheitsministerin selbst hatte gestern Mühe, Contenance zu bewahren. "Ich habe bei der Benutzung des Dienstwagens dienstliche und private Fahrten ganz genau getrennt", versicherte die sichtlich genervte SPD-Gesundheitsministerin beim Besuch eines Altenheims in Hannover einmal mehr. Und Forderungen aus den Reihen von Union und FDP nach ihrem Rückzug aus dem Führungsteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wies die Ressortchefin entrüstet zurück: "Das hätten die gerne, weil die nicht wollen, dass wir über Gesundheitspolitik diskutieren!"

Spätestens seit am Montag bekannt geworden ist, dass Schmidt ihre Limousine nicht nur in diesem Sommer, sondern seit 2004 jedes Jahr an ihrem spanischen Urlaubsort genutzt hat, weiß man in der Berliner SPD-Zentrale, dass die Dienstwagen-Affäre mitnichten ausgestanden ist. Nach dem Willen der Freien Demokraten soll die Ministerin am kommenden Mittwoch vor dem Haushaltsausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen.

Dass Ulla Schmidt handfeste Verfehlungen vorgehalten werden können, ist allerdings kaum zu erwarten. Selbst der Bund der Steuerzahler, der über den Umgang mit Staatsgeldern wacht, hat da seine starken Zweifel. "Wer glaubt, diese Angelegenheit politisch ausnutzen zu können, verliert genauso an Ansehen wie Frau Schmidt selbst", warnte Bundesgeschäftsführer Reiner Holznagel gegenüber dem "Handelsblatt!. Die Ministerin habe zwar "nicht wirtschaftlich" gehandelt, als sie ihr Dienstauto samt Chauffeur mit nach Spanien genommen habe. Aber dies sei im Rahmen der geltenden Richtlinien geschehen. Erwartungsgemäß sprang auch SPD-Fraktionschef Peter Struck der bedrängten Ministerin zur Seite: "Wenn die FDP die private Nutzung von Dienstwagen, die steuerlich gesondert abgerechnet werden muss, ändern will, soll sie Vorschläge für Änderungen der Richtlinien machen", forderte Struck. Schließlich ließen die derzeitigen Vorschriften eine solche Nutzung eindeutig zu. "Insofern hat sich die Gesundheitsministerin nichts zuschulden kommen lassen." Fraktionsvize Elke Ferner bezeichnete die Rücktrittsforderungen des FDP-Finanzpolitikers Patrick Döring als "billiges Wahlkampfgetöse". Auch die Forderung nach einer erneuten Prüfung durch den Bundesrechnungshof sei "absurd": Die Fahrten seien längst durch das zuständige Finanzamt geprüft worden.

Doch neben den Solidaritätsadressen für Schmidt gibt es im sozialdemokratischen Lager auch andere Stimmen. Schmidts Verteidigungsstrategie sei wenig überzeugend, ist zu hören. Der thüringische SPD-Vorsitzende Christoph Matschie sagte der "Thüringer Allgemeinen" trocken: "Ich würde mich so nicht verhalten."