In der Dienstwagenaffäre gerät Bundesministerin Ulla Schmidt unter Druck. Auch musste ihr die SPD-Spitze an die Seite springen.
Berlin. Ihr Wahlkampfauftritt bei den Senioren geriet zur Nebensache. Am Dienstag musste Ulla Schmidt wieder zum öffentlichen Spießrutenlauf antreten. „Ich habe bei der Benutzung des Dienstwagens dienstliche und private Fahrten ganz genau getrennt“, versicherte die genervte SPD-Gesundheitsministerin beim Besuch eines Altenheims in Hannover einmal mehr. Und Forderungen aus den Reihen von Union und FDP nach ihrem Rückzug aus dem Führungsteam von SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier wies die Ressortchefin entrüstet zurück: „Das hätten die gerne, weil die nicht wollen, dass wir über Gesundheitspolitik diskutieren.“
Seit bekannt wurde, dass Schmidt ihre Limousine nicht nur in diesem Sommer, sondern seit 2004 jedes Jahr in ihrem spanischen Urlaubsort genutzt hat, sind die Hoffnungen wieder geschwunden, die sommerliche Affäre sei ausgestanden. Nach dem Willen der Freien Demokraten soll die Ministerin in der kommenden Woche vor dem Haushaltsausschuss des Bundestags Rede und Antwort stehen. Dass es dabei auch um Wahlkampf geht, räumte FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke offen ein. Das sei eben gegenwärtig bei allen hochkochenden Themen so.
Die Dienstwagen der deutschen Spitzenpolitiker:
Der Autovermieter Erich Sixt gab dem Wirbel noch eine zusätzliche Umdrehung mit der Äußerung, dass Schmidt in Alicante nach Ersatz für ihren gestohlen S-Klasse-Mercedes gefragt, einen angebotenen 3er-BMW aber als zu klein befunden habe. Allerdings wies das Ministerium dies umgehend zurück. Vielmehr habe Audi auf Anfrage einen A6 bereitgestellt – „die Frage einer Anmietung eines PKW der Firma Sixt stellte sich nicht“. Dass Ulla Schmidt wirklich handfeste Verfehlungen vorgehalten werden können, ist kaum zu erwarten. Selbst der Bund der Steuerzahler, der penibel über den Umgang von Politikern mit Staatsgeldern wacht, hat da seine starken Zweifel.
„Wer glaubt, diese Angelegenheit politisch ausnutzen zu können, verliert genauso an Ansehen wie Frau Schmidt selbst“, warnte Bundesgeschäftsführer Reiner Holznagel. Die Ministerin habe zwar „nicht wirtschaftlich“ gehandelt, als sie ihr Dienstauto samt Chauffeur mit nach Spanien genommen habe. Aber dies sei im Rahmen der geltenden Richtlinien geschehen. Die Steuerorganisation sprach sich deshalb dafür aus, in einer ruhigen und sachlichen Diskussion über eine Änderung der bisherigen Vorschriften zu sprechen. Notwendig sei eine Klarstellung, dass Spitzenpolitiker künftig das Gebot der Wirtschaftlichkeit auch bei Privatfahrten beachten müssten.
Gegen eine solche Verschärfung der Richtlinien hätten auch Schmidt und andere Spitzensozialdemokraten nichts einzuwenden. Eine Präzisierung oder Überarbeitung der Vorschriften sei durchaus denkbar, regte Steinmeier an. „Ziemlich scheinheilig“ nannte der Außenminister die neue Debatte um Ulla Schmidt. Ganz offensichtlich solle damit ein „parteipolitisches Süppchen gekocht werden“. Und auch SPD-Fraktionschef Peter Struck sprang Ulla Schmidt zur Seite: „Wenn die FDP die private Nutzung von Dienstwagen, die steuerlich gesondert abgerechnet werden muss, ändern will, soll sie Vorschläge für Änderungen der Richtlinien machen“, forderte er. Schließlich ließen die derzeitigen Vorschriften eine solche Nutzung eindeutig zu. „Insofern hat sich die Gesundheitsministerin nichts zu Schulden kommen lassen“, steht für Struck fest.
Dass eine solche Neuregelung noch vor der Bundestagswahl im September zustande kommt, ist jedoch kaum wahrscheinlich. Ziemlich ausgeschlossen ist auch eine Klärung der zurückliegenden Fälle. Diese Fahrten mit der Dienstlimousine sind längst vom zuständigen Finanzamt genehmigt worden. Deshalb müssten nachträglich Steuererklärungen noch einmal geprüft werden. Dass eine solche Durchleuchtung bei den Spitzenpolitikern aller Parteien auf Verständnis stoßen würde, ist kaum anzunehmen.
Doch neben den Solidaritätsadressen für Schmidt gibt es im SPD- Lager auch andere Stimmen. Ihre Verteidigungsstrategie sei wenig überzeugend, ist zu hören. Dass Ulla Schmidt es nicht geschafft habe, bereits in der ersten Phase der Affäre sämtliche Fakten auf den Tisch zu legen, zeuge jedenfalls nicht von einem völlig reinen Gewissen.