Im Westen sollen die Bezüge um 2,3 Prozent steigen, im Osten um 3,2 Prozent. Das kündigte der Präsident der Deutschen Rentenversicherung an.

Würzburg. Die rund 20 Millionen Ruheständler in Deutschland können im kommenden Jahr auf ein überraschend kräftiges Plus bei der Rente hoffen. Die Renten werden zum 1. Juli 2012 voraussichtlich um knapp 2,3 Prozent in den alten Ländern und um 3,2 Prozent in Ostdeutschland steigen, wie der Präsident der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund, Herbert Rische, am Donnerstag in Würzburg laut Redetext sagte. Die endgültige Rentenanpassung wird im Frühjahr festgelegt. Die Angaben tätigte Rische aufgrund von neuen Finanzschätzungen. Die Anhebung wäre eine der kräftigsten Rentenerhöhungen der vergangenen Jahre.

In diesem Jahr waren die Renten im Westen wie im Osten um ein Prozent gestiegen, nach einer Nullrunde 2010. Festgelegt wird die Rentenerhöhung von der Bundesregierung im Frühjahr nächsten Jahres, wenn die endgültigen Zahlen zur Lohnentwicklung vorliegen. Grund für die deutliche Anhebung ist der starke Anstieg der Lohnsumme im Zuge der guten Konjunktur und steigender Beschäftigung.

Bei einer Preissteigerungsrate von derzeit über zwei Prozent würde die Rentenanhebung aber größtenteils von der Inflation aufgezehrt. Festgelegt wird die Rentenanpassung erst im Frühjahr von der Bundesregierung. Grund für die deutliche Anhebung ist die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und bei den Nettolöhnen. Rische betonte, die bisherigen Prognosen sei nur Schätzungen der Experten der Rentenversicherung.

Auch die Beitragszahler können 2012 eine Entlastung in Milliardenhöhe erwarten. Der hohe Überschuss der Rentenkasse lasse 2012 eine Senkung des Beitragssatzes von 19,9 auf 19,6 Prozent zu, sagte Rische. Arbeitgeber und Arbeitnehmer würden dadurch jeweils um 1,4 Milliarden Euro entlastet. Auch der Bund spare 700 Millionen Euro. Im Jahr 2013 sei nach derzeitigem Stand eine Beitragssenkung auf 19,2 Prozent möglich, der im Jahr darauf dann auf 19,1 Prozent sinken könnte.

In einer Forsa-Umfrage im Auftrag des DGB, die am Dienstag veröffentlich worden war, hatten sich 79 Prozent der Befragten für unveränderte Rentenbeiträge ausgesprochen, wenn die Überschüsse zur Bekämpfung der Altersarmut verwendet würden.

Kritik an von der Leyens Plänen für die Rente

Das DRV-Seminar in Würzburg wird am heutigen Donnerstag abgeschlossen. Am Mittwoch waren der Regierungsdialog Rente von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und ihre Pläne gegen Altersarmut bei der Rentenversicherung auf Skepsis gestoßen. Die Zuschussrente, die von der Leyen ins Gespräch gebracht hat, eigne sich nicht als Rezept gegen Altersarmut, sagte der Vorstandsvorsitzende der Rentenversicherung, Alexander Gunkel. Er vertritt die Arbeitgeber in der Rentenversicherung. Und wenn die bisherigen unklaren Vorstellungen des Arbeitsministeriums Realität würden, müsste die Rentenversicherung deutlich mehr Steuermittel aus dem Bundeshaushalt bekommen, um diese Zuschussrente zu finanzieren.

Von der Leyens Pläne sehen vor, dass es eine Art Mindestrente von 850 Euro im Monat geben soll. Allerdings ist das an strenge Voraussetzungen geknüpft. Wer eine Zuschussrente beantragt, muss 45 Jahre rentenrechtliche Zeiten aufweisen, davon 35 Jahre eingezahlt haben und 35 Jahre in eine private Rentenversicherung eingezahlt haben: in eine Betriebsrente oder in einen Riester-Vertrag. Und im Alter wird dann geprüft, ob der Zuschussrentner weitere Einnahmen oder einen Partner hat, der deutlich höhere Einnahmen hat.

+++ Der richtige Mix macht's +++

+++ Zuschussrente gegen die Altersarmut +++

+++ Immer mehr Frührentner in Deutschland +++

+++ Rentner kommen ohne Arbeit kaum über die Runden +++

Arbeitgebervertreter Gunkel machte bei einem Presseseminar in einem Beispiel klar, dass von der Leyens derzeitige Rechnung nicht aufgeht. Wenn eine Verkäuferin während ihres Arbeitslebens 60 Prozent des Durchschnitteinkommens verdient hat, ihr Kind bis zum zehnten Lebensjahr erzogen und einen Riester-Vertrag mit 100 Euro Rente im Monat abgeschlossen hat, sieht die Bilanz so aus: Sie bekommt 590 Euro gesetzliche Rente, 100 Euro aus dem Riester-Vertrag und noch 160 Euro vom Staat, damit sie auf die Mindestrente von 850 Euro kommt.

Wenn dieselbe Versicherte nur bis zum sechsten Lebensjahr ihres Kindes zu Hause bleibt, erhält sie später etwa 700 Euro gesetzliche Rente, 100 Euro von Riester und nur 50 Euro Zuschussrente. Im Alter hätte sie nach von der Leyens Plänen also nicht mehr Geld, obwohl sie länger gearbeitet hat.

„Der Kreis, der später diese Zuschussrente bekommt, wird sehr klein sein“, fürchtet Annelie Buntenbach, Rentenexpertin und Vorstand im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Aus DGB-Sicht sei außerdem die Verpflichtung zur Riester-Rente problematisch, „weil viele Geringverdiener sich das Riestern nicht leisten können“. Buntenbachs Co-Vorstand in der Rentenversicherung, Gunkel, warnte: „Die Pläne könnten zu einer bürokratischen Mehrbelastung der Rentenversicherung führen.“ Gunkel bemängelte auch, dass die Ideen von der Leyens bislang noch recht schwammig seien. Die Rentenversicherung habe aber viele Vorschläge eingebracht, sodass der Regierungsdialog Rente noch zum Erfolg gebracht werden könne.

Die Anpassungssätze seit dem Jahr 2000:

2000: Zum 01.07. um 0,60 Prozent (Westdeutschland) und 0,60 Prozent (Ostdeutschland)

2001: Zum 01.07. um 1,91 Prozent (West) und 2,11 Prozent (Ost)

2002: Zum 01.07. um 2,16 Prozent (West) und 2,89Prozent (Ost)

2003: Zum 01.07. um 1,04 Prozent (West) und 1,19Prozent (Ost)

2004: Keine Anpassung

2005: Keine Anpassung

2006: Keine Anpassung

2007: Zum 01.07. um 0,54 Prozent (West) und 0,54Prozent (Ost)

2008: Zum 01.07. um 1,10 Prozent (West) und 1,10Prozent (Ost)

2009: Zum 01.07. um 2,41 Prozent (West) und 3,38Prozent (Ost)

2010: Keine Anpassung

2011: Zum 01.07. um 0,99 Prozent (West) und 0,99Prozent (Ost)

2012: Zum 01.07. um 2,30* Prozent (West) und 3,20* (* = Prognose)

(dpa/rtr/dapd/ryb)