Die Entlastungen sollen Anfang 2012 vom Tisch sein. Das Hamburger Abendblatt erklärt, was im Rahmen der Änderung für die Bürger drin ist.
Berlin. Bis die Deutschen einen höheren Nettobetrag auf ihrem Gehaltszettel finden, wird es noch etwas dauern. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert gestern sagte, werde die angekündigte Steuerersenkung zwar kommen, aber nicht sofort: "Die Bundesregierung wird in dieser Legislaturperiode Steuererleichterungen für kleine und mittlere Einkommen beschließen - aber noch nicht zum 1. Januar 2012."
Zuvor hatte es massive Kritik von den Ländern an der von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zugesagten Entlastung von bis zu zehn Milliarden Euro gegeben. Auch CDU-Ministerpräsidenten hatten die Bundesregierung aufgefordert, weiter auf Haushaltskonsolidierung zu setzen und von Steuergeschenken abzusehen. Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, mahnte die Länderchefs zur Kooperation. Dem Abendblatt sagte sie: "Die Länder und Kommunen verzeichnen genauso wie der Bund höhere Steuereinnahmen. Es sollte daher auch ein Anliegen der Länder sein, die berechtigte Entlastung der Bürger zu unterstützen." In jedem Fall müssten Steuersenkungen haushaltspolitisch verantwortbar sein, betonte sie. "Unser Ziel bleibt es, die kleinen und mittleren Einkommen zu entlasten - wie das auch im Koalitionsvertrag steht."
Um die Steuerentlastung durchzusetzen, liegen mehrere Möglichkeiten auf dem Tisch. CSU-Politikerin Hasselfeldt schlug vor, die kalte Progression zu korrigieren. "Eine Absenkung oder Aussetzung des Solidaritätszuschlags würde dagegen vor allem Gutverdiener entlasten." Das Abendblatt erklärt, welche Maßnahmen möglich sind und was die Bürger davon hätten.
Weg mit dem Soli?
Der Solidaritätszuschlag, kurz Soli, wurde kurz nach der Wiedervereinigung eingeführt. Die seit Juli 1991 zunächst für nur ein Jahr erhobene Steuer von 3,75 Prozent auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer sollte den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern finanzieren. Um Lücken im Bundeshaushalt zu stopfen, führte die damalige schwarz-gelbe Koalition den Zuschlag 1995 aber wieder ein. Seit 1998 liegt der Soli bundesweit einheitlich bei 5,5 Prozent. Wer bei Steuerklasse I ein Bruttomonatseinkommen von 1800 Euro hat, zahlt derzeit einen Soli von rund 9,70 Euro, wer rund 3000 Euro brutto verdient, bekommt mehr als 28 Euro abgezogen. 2010 nahm der Bund 11,7 Milliarden Euro durch den Soli ein - also etwas mehr, als für die Entlastungen veranschlagt wurde. Eine komplette Streichung ist unwahrscheinlich. Beim Soli gilt jedoch, dass der Bundesrat kein Mitspracherecht hat. Schwarz-Gelb könnte Änderungen ohne Zustimmung der Länderchefs durchsetzen.
Weg mit dem Mittelstandsbauch?
Der Mittelstandsbauch entsteht, weil der Steuertarif zwischen 14 und 42 Prozent nicht gleichmäßig steigt, sondern bis zu einem Einkommen von 13 469 Euro sehr steil. Bereits von 13 470 Euro an verlangt der Fiskus rund 24 Prozent. Nach diesem Knick verläuft die Kurve wesentlich flacher, bis bei 52 882 Euro 42 Prozent gelten. Folge ist, dass vor allem kleinere und mittlere Einkommen proportional höher belastet werden - und bei mittleren Einkommen schnell in einen höheren Steuertarif rutschen, wenn es zum Beispiel eine Lohnerhöhung gibt. Wenn in der Folge mehr Einkommenssteuer bezahlt werden muss, bleibt am Ende weniger Netto übrig als vorher (kalte Progression).
Der Bund der Steuerzahler hat ausgerechnet, dass ein alleinstehender Arbeitnehmer mit 2000 Euro Bruttogehalt etwa um 300 Euro jährlich entlastet werden könnte, wenn der Mittelstandsbauch beseitigt wird. Ein Verheirateter mit zwei Kindern und 3000 Euro Einkommen müsste pro Jahr 264 Euro weniger Abgaben zahlen.
Weniger Sozialabgaben?
Möglich wäre etwa eine Senkung der Beiträge für Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Ersteres gilt allerdings als unwahrscheinlich: Die Arbeitslosigkeit sinkt zwar auf immer neue 20-Jahres-Tiefstände, allerdings muss die Bundesagentur für Arbeit (BA) bereits jetzt Schulden machen, weil der aktuelle Beitragssatz von drei Prozent die Ausgaben nicht deckt.
Eine Debatte über eine Senkung des Beitragssatzes zur Krankenversicherung (15,5 Prozent) ist bereits durch die Milliardenreserve des Gesundheitsfonds ausgelöst worden, aus dem die gesetzlichen Kassen ihr Geld bekommen. Ende 2011 dürfte die Reserve rund zwei Milliarden Euro betragen, die nicht bereits verplant sind. Bei Entlastungen in diesem Bereich müssten die Länder nicht zustimmen.
Was wäre sonst noch drin?
Weil die SPD durch die Regierungspläne Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen benachteiligt sieht, pocht sie auf eine andere Lösung: Die "Steuern-runter-Ideologie" von Union und FDP helfe den Menschen mit wenig Geld in der Tasche nicht, weil diese häufig gar keine Steuern bezahlen könnten, kritisierte Niedersachsens SPD-Landeschef Olaf Lies. "Wer diesen Menschen wirklich helfen will, muss Niedriglöhne verhindern. Als Erstes müssen Minijobs begrenzt, der allgemeine Mindestlohn eingeführt und die Nettolöhne erhöht werden", forderte er. "Gerade im Aufschwung ist da auch die Wirtschaft gefordert", sagte er dem Abendblatt.