Jetzt macht die FDP Druck. Gibt es bereits einen Beschluss in diesem Sommer? Nicht nur die SPD, sondern auch CDU-Länderchefs warnen.
Berlin. Schneller als erwartet will die Bundesregierung Millionen von Steuerzahlern entlasten. Laut Koalitionskreisen könnte Schwarz-Gelb noch vor der Sommerpause Steuersenkungen von bis zu zehn Milliarden Euro beschließen. Die Entlastung für Bürger und Firmen solle bei einer Kabinettssitzung Anfang Juli verkündet werden. "Auf jeden Fall werden wir zu einer Entlastung bei den unteren und mittleren Einkommen kommen", sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Ob die Maßnahmen ab 2012 oder erst ab 2013 gelten und welchen Umfang die Entlastungen tatsächlich haben werden, ist Teil der noch ausstehenden Verhandlungen. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, es gebe noch keine festen Absprachen.
FDP-Chef Philipp Rösler drückt jedoch aufs Tempo: Jetzt, in Zeiten eines kräftigen Aufschwungs, der hohe Steuereinnahmen in die Staatskassen spüle, sei der richtige Zeitpunkt für diese Diskussion. "Da sind wir uns - die Kanzlerin und ich - vollkommen einig", sagte der Wirtschaftsminister dem NDR. Über Details der Entlastung müsse aber noch gesprochen werden. Zuvor hatte die "Financial Times Deutschland" über ein vertrauliches Gespräch von Angela Merkel und Rösler berichtet, in dem die Bundeskanzlerin Steuersenkungen für die Mittelschicht zugestimmt habe, und zwar spätestens im Jahr der Bundestagswahl 2013.
Im rot-grün dominierten Bundesrat droht das Vorhaben allerdings zu scheitern. Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) warnte die Bundesregierung vor einer Aufgabe der Sparanstrengungen. "Die Haushaltskonsolidierung hat Priorität. Für Steuersenkungen gibt es keinen Spielraum", sagte Scholz. Seiner Meinung nach sollen die geplanten Steuersenkungen "einzig und allein der in ihrer Existenz bedrohten FDP helfen, die mit ihren haltlosen und unseriösen Steuersenkungsversprechen enorm an Glaubwürdigkeit verloren hat". Steuersenkungen würden eine unnötige Gefährdung aller Konsolidierungsbemühungen bedeuten, so der Bürgermeister.
Auch mehrere Ministerpräsidenten der Union drohten mit einem Veto. Der saarländische Regierungschef Peter Müller (CDU) sagte dem Abendblatt, er lehne Steuerentlastungen in Milliardenhöhe ab. Auch nach den aktuellen Steuermehreinnahmen bestehe keinerlei Spielraum für Steuersenkungen. Mit Blick auf die schwarz-gelbe Koalition in Berlin sagte Müller: "Wer es ernst meint mit der Haushaltssanierung, darf jetzt nicht über Steuersenkungen in Milliardenhöhe reden." Die finanzielle Lage des Bundes und der Länder sei nach wie vor schwierig. Dies gelte für alle Bundesländer. Ähnlich äußerte sich auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). "Wir können uns das nicht leisten", sagte er der "Financial Times Deutschland".
In Berlin zeigten sich die Oppositionsparteien überzeugt, dass Merkel den Liberalen ein Zugeständnis allein zum Wohle des Koalitionsfriedens machen möchte. Die Linke-Vorsitzende Gesine Lötzsch sprach von einem "Zuckerbrot" Merkels für die FDP. Vom "wohl teuersten politischen Wiederbelebungsversuch für eine Koalition" sprach der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte dem "Tagesspiegel", die neue FDP-Führung klammere sich verzweifelt an ihr einziges Kernthema, sei es noch so aussichtslos, unverantwortlich und realitätsfern. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund sprach mit Blick auf die Steuersenkungspläne von politischer Verantwortungslosigkeit.