Zwischen FDP und Union knirscht es gewaltig. CSU-Chef Seehofer schnürt ein Versöhnungspaket – aber die SPD träumt schon von Neuwahlen.

Berlin. Versöhnung oder neuer Zank? Griechenland-Hilfen, Steuersenkungen und die alten Streitthemen wie innere Sicherheit, Datenschutz, Gesundheit und Pflege vergiften erneut das Klima in der Regierungskoalition von Union und FDP. Ob es dem neuen Liberalen-Vorsitzenden Philipp Rösler gelingt, mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen vertrauensvollen Arbeitsstil zu entwickeln, ist wieder mehr als fraglich geworden. Nach taktischen Attacken und dem Lancieren von Geschichten aus der Union gegen die FDP scheinen die Liberalen nun den Spieß umzudrehen. Im Streit über die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung sowie eine Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze geht es erneut laut zu: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) warfen sich gegenseitig vor, das Klima in der Berliner Koalition zu belasten. „Manche Zurufe aus der Union tragen nicht eben zu einem guten Koalitionsklima bei, denken Sie nur an den Stil der Auseinandersetzung in der Innen- und Rechtspolitik“, sagte Leutheusser-Schnarrenberger dem „Tagesspiegel“.

Hermann wiederum mahnte, es müsse jedem „verantwortungsvollen Politiker“ bei den Anti-Terror-Gesetzen sowie der Vorratsdatenspeicherung an einer „schnellen und wirksamen Lösung“ gelegen sein. „Bis jetzt verschließt sich dem die FDP und belastet damit die Berliner Koalition“, sagte er.

Leutheusser-Schnarrenberger verteidigte ihren Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung: „Mein Vorschlag ist ein Kompromissangebot und ich erwarte, dass auf dieser Grundlage Gespräche geführt werden.“ Zugleich lehnte sie eine pauschale Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze erneut ab. Es werde mit ihrer Partei „kein pauschales Durchwinken geben“, sagte die Ministerin. Notwendig sei mehr Kontrolle und Transparenz im Bereich der Nachrichtendienste. Dagegen warnte Hermann davor, die Befugnisse der Dienste einzuschränken. „Wenn wir solche Mittel nicht mehr haben, werden wir den Terroristen zwei Schritte hinterher sein.“

Dabei will die schwarz-gelbe Koalition ihre Krise mit einem umfassenden Maßnahmenpaket überwinden, bei dem jede Partei Erfolge verbuchen darf. „Die Bereitschaft zum gegenseitigen Interessensausgleich ist da“, sagte CSU-Chef Horst Seehofer der „Financial Times Deutschland“. „Wir werden uns vor der Sommerpause treffen und zwar dann, wenn die Wahrscheinlichkeit für ein gutes Paket gegeben ist“, sagte Seehofer. Als Bestandteile des Pakets nannte Seehofer die innere Sicherheit, den Haushalt, Steuern, Pflege, Fachkräfte und den Euro. Nach dem Personalwechsel bei der FDP müsse die Koalition nun „Rücksicht nehmen aufeinander und dem Partner Zeit geben“. Eine schwarz-grüne Koalitionsoption wies Seehofer zurück: „Es wäre doch eine abenteuerliche Strategie, eine Politik des Scheiterns zu verfolgen, um einen Koalitionswechsel vorzubereiten. Dann wären wir insgesamt in der Opposition.“

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sieht große Unterstützung für die geplante neue Griechenland-Hilfe in der schwarz-gelben Koalition. „Wir haben eine klare Mehrheit“, sagte er in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Die jetzt erwogenen Rettungspläne seien vor Pfingsten „ganz ähnlich so“ im Bundestag mit schwarz-gelber Mehrheit beschlossen worden.

Doch neben Griechenland gerät ein altes Konfliktthema der Koalition wieder in den Blickpunkt: die Steuerpolitik. Am Wochenende forderte zunächst Wirtschaftsminister und FDP-Chef Philipp Rösler im „Spiegel“ einen raschen Beschluss für eine Steuerentlastung, „die noch in dieser Legislaturperiode bei den Bürgern ankommt“. Eine Antwort aus der Union folgte prompt. Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister (CDU) sagte der „Bild“-Zeitung: „Das Grundgesetz verpflichtet die Länder, bis spätestens 2020 keine neuen Schulden zu machen.“ Deshalb könnten sie keine nennenswerten Einnahmeausfälle mehr verkraften. „Das muss der Bund bei seinen steuerpolitischen Überlegungen berücksichtigen.“

Die SPD spekuliert angesichts der Unstimmigkeiten bereits über vorgezogene Wahlen und setzt dabei auf die Griechenland-Frage. Falls die Regierung keine eigene Mehrheit für ein neues Hilfspaket für Athen habe, seien Neuwahlen die einzige Antwort, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann laut „Spiegel Online“. Merkel stehe kurz vor ihrer größten Krise. Im Fall des Scheiterns der „abgewirtschafteten Bundeskanzlerin“ stehe die SPD aber nicht für eine große Koalition bereit, betonte Oppermann. (dpa/dapd/rtr/abendblatt.de)