Die Kürzungsvorschläge der Strukturkommission der Bundeswehr stoßen allgemein auf Zustimmung. Der Streit um Berlin-Umzug wird härter.
Hamburg. Noch bevor es seine Arbeit endgültig abgeschlossen hat, hat das Expertengremium zur Reform der Bundeswehr geteilte Reaktionen ausgelöst. Während die Forderung nach einer Verkleinerung auf Zustimmung bei Wehrexperten stößt, formiert sich breiter Widerstand gegen den Vorschlag von Kommissionschef Frank-Jürgen Weise, das Verteidigungsministerium weitgehend aus Bonn abzuziehen und in Berlin zu konzentrieren.
FDP-Chef Guido Westerwelle sagte dem "Kölner Stadtanzeiger": "Die Aufgabenteilung hat sich bewährt. Für einen Umzug alles neu zu bauen käme den Steuerzahler nur viel teurer." Westerwelle, der seinen Wahlkreis in Bonn hat, sagte: "Das Bonn-Berlin-Gesetz gilt." Das Gesetz bestimmte den Verbleib mehrere Ministerien am Rhein, als der Bundestag 1991 Berlin zum Regierungssitz bestimmte. Weise hatte in einem Interview vorgeschlagen, das Verteidigungsministerium um die Hälfte zu verkleinern und auf Berlin zu konzentrieren. Statt mehr als 3000 hätte es dann nur noch etwa 1600 Mitarbeiter. Den offiziellen Bericht will seine Kommission heute vorlegen.
Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), der Abgeordneter des nahe gelegenen Rheinisch-Bergischen Kreises ist, verlangte, das Gesetz müsse Geschäftsgrundlage bleiben. Laut Bonns Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch hat sich die Bundesregierung bisher eindeutig für den Verbleib der Bundeswehr in Bonn ausgesprochen. Dem Abendblatt sagte Nimptsch: "Auch Reformkommissionen haben sich an geltendes Recht zu halten. Kanzlerin und Verteidigungsminister haben deutlich gemacht: Beide stehen zum Berlin-Bonn-Gesetz und zu den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag."
Der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ernst-Reinhard Beck (CDU), sagte: "Sollte Verteidigungsminister zu Guttenberg es schaffen, das schon legendäre Bonner Beharrungsvermögen zu brechen, wäre das sehr begrüßenswert." Die politische Musik spiele längst in Berlin.
Auch der Bund der Steuerzahler sprach sich für einen Umzug aus. Vizepräsident Reiner Holznagel sagte dem Abendblatt: "Die Bundesregierung sollte 20 Jahre nach der Wiedervereinigung und zehn Jahre nach dem Regierungsumzug an die Spree jetzt endgültig alle Köpfe und Koffer nach Berlin holen." Der doppelte Regierungssitz koste den Steuerzahler jedes Jahr rund 23 Millionen Euro. "Alle Argumente sprechen für einen Komplettumzug, der sich in rund zehn Jahren amortisieren würde." Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Elke Hoff, warnte aber davor, sich jetzt bei der Bundeswehrreform in einer Standortdebatte zu verzetteln.
"Wichtig ist, wie wir die Bundeswehr als Freiwilligenarmee zu einem attraktiven Arbeitgeber umbauen können, wie wir die nötigen Personalverkleinerungen erreichen und wie wir es schaffen, ein effizientes Beschaffungswesen zu organisieren, das uns die richtigen Dinge zur richtigen Zeit liefert", sagte Hoff dem Abendblatt. Im Grundsatz aber zeichnet sich bei Experten breite Zustimmung zu der Strukturreform ab, die Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) anstrebt.
Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, sagte dem Abendblatt: "Natürlich macht es Sinn, die Stabslastigkeit bei der Bundeswehr zu verringern." Aber das sei nur eine Baustelle unter mehreren. Es gebe zu viele Führungsebenen und zu lange Beschaffungswege. "Auch die geplante Verkleinerung der Truppe auf eine Größe von 185 000 bis 195 000 Mann ist im Sinne der SPD", sagte Arnold. Die Einsparungsmöglichkeiten bei der Verkleinerung des Ministeriums seien allerdings marginal. "Wenn ein Inspekteur zu seiner Teilstreitkraft zurückgeht, dann sind er und sein Stab ja immer noch Teil der Bundeswehr." Auch die Zivilangestellten könne man nicht einfach so reduzieren.
Der Bundeswehrverband befürwortet die Pläne für eine Strukturreform. Verbandschef Ulrich Kirsch sagte gestern im Deutschlandradio, er teile die Einschätzung der Kommission, wonach das Verteidigungsministerium in der Vergangenheit manchmal nicht optimal funktioniert habe. Auch ein Umzug der Bonner Ministeriumsmitarbeiter nach Berlin würde Sinn haben. Die Stäbe für Heer, Luftwaffe und Marine sollten aber in Bonn bleiben.
Der frühere Generalinspekteur Harald Kujat forderte, den Soldaten im Einsatz müsse zur Verfügung gestellt werden, was sie für ihren Auftrag und ihre Sicherheit bräuchten. "Da darf es keine Parallelstrukturen geben, da darf es keine Strukturen geben, die sich gegenseitig behindern." Außerdem müsse größere Effizienz im Bereich der Rüstung und Beschaffung erzielt werden.