Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, sieht Auslandseinsätze skeptisch und kritisiert die Bundeswehrreform.
Schwerin/Berlin. Der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, hat sich dafür ausgesprochen, die Bundeswehr von Kampfeinsätzen im Ausland fernzuhalten. "Wir müssen die Bundeswehr so schnell wie möglich aus Afghanistan abziehen", forderte der SPD-Politiker im Abendblatt-Interview. "Und wir müssen uns grundsätzlich entscheiden: Wollen wir an solchen Konflikten teilnehmen oder nicht? Für mich ist klar: Die Bundeswehr darf nicht Krieg führen."
Das Abendblatt-Interview mit Ministerpräsident Sellering
Die deutschen Streitkräfte dürften im Ausland allenfalls zur Friedenssicherung eingesetzt werden - "und zwar nach den Kriterien eines internationalen Polizeieinsatzes". Als Beispiel nannte Sellering die Stabilisierungsmission auf dem Balkan. Der Regierungschef appellierte an seine Partei: "Ich wünsche mir sehr, dass in der SPD noch einmal ernsthaft über den Afghanistan-Einsatz diskutiert wird, bevor der Bundestag über die Verlängerung des Mandats entscheidet." Die Sozialdemokraten stehen bisher hinter der Mission am Hindukusch.
Sellering verlangte eine Grundsatzdebatte über die Aufgaben der Bundeswehr. Daran solle sich ihre Struktur orientieren. Er wolle nicht, dass die Weichen gestellt würden für eine kleine Berufsarmee, die schnell an allen Orten dieser Welt eingreifen könne, so der Ministerpräsident. "Ich möchte, dass Landesverteidigung die Hauptaufgabe unserer Streitkräfte bleibt."
Ein kleines Berufsheer würde zu vielen Standortschließungen gerade in den norddeutschen Bundesländern führen, warnte Sellering. "Die Bundeswehr hat sich bewährt als Wehrpflichtarmee. Ich kämpfe darum, dass unsere Bundeswehrstandorte möglichst alle erhalten bleiben." Die von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) vorangetriebene Wehrreform sieht eine Aussetzung der Dienstpflicht vor.
Guttenberg teilte mit, dass er die Entscheidung über Auswirkungen der Bundeswehrreform auf die Kasernen nicht vor Mitte 2011 treffen will. Die Präsenz in der Fläche werde erhalten bleiben, sagte er am Freitag bei einem Treffen mit der niedersächsischen CDU-Fraktion in Hannover. "Das ist mir von Herzen wichtig. Ich brauche keine Bundeswehr, die sich künftig auf zehn bis 15 Großstandorte in der Bundesrepublik verteilt."
Nach dem schweren Selbstmordanschlag auf die Bundeswehr in Nordafghanistan warnte Guttenberg vor zu ehrgeizigen Zielen am Hindukusch. "Es kann nicht darum gehen, Luftschlössern hinterherzueilen und Illusionen zu bedienen, sondern die Ziele müssen erreichbar sein", sagte der CSU-Politiker. Er drang darauf, bereits im nächsten Jahr mit der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen zu beginnen und eine Abzugsperspektive für die Bundeswehr zu schaffen.
Bei einem Selbstmordanschlag in der Unruheprovinz Baghlan war am Donnerstag ein 26 Jahre alter Fallschirmjäger aus Seedorf (Kreis Rotenburg/Wümme) getötet worden. 14 deutsche Soldaten wurden verletzt. Am Freitag kam auch der Gouverneur von Kundus - der zweiten Unruheprovinz im Zuständigkeitsbereich der Bundeswehr - bei einem Bombenanschlag zusammen mit elf weiteren Menschen ums Leben. Der Sprengsatz explodierte in einer Moschee in der Nachbarprovinz Tachar während des Freitagsgebets. Der internationale Afghanistan-Einsatz ist in dieser Woche ins zehnte Jahr gegangen.