Der Hardthöhe droht das Ende. Weil die Bundeswehr sparen muss, reicht ein Dienstsitz. 9000 Bundesbeamte arbeiten noch in Bonn – noch.
Bonn/Berlin. Jahrzehntelang sind alle Anläufe für den immer wieder diskutierten Komplettumzug des Verteidigungsministeriums von der Bonner Hardthöhe nach Berlin an der starken Bonn-Lobby gescheitert. Doch angesichts des nun von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verordneten Marschtempos bei der Bundeswehrreform sehen viele Bonner ihre Blockademacht schwinden. Der Verlust des Verteidigungsministeriums werde „wohl nicht mehr zu umgehen sein“, war am Montag aus dem Rathaus zu hören. Dahinter steht die noch schlimmere Befürchtung, dass dieser Schritt Auftakt für einen Umzug der anderen fünf in Bonn mit Hauptsitz verbliebenen Ministerien sein könnte.
Die von Guttenberg berufene Strukturkommission für die Streitkräfte, die an diesem Dienstag ihre Empfehlungen für die neue Bundeswehr vorlegen will, hat laut Medienberichten die Zusammenlegung der beiden Teile des Verteidigungsministeriums in Berlin vorgeschlagen. „Das Ministerium ist von Grund auf neu zu konzipieren“, heißt es demnach in dem Bericht von Frank-Jürgen Weise. Die Strukturkommission verordnet dem Haus eine radikale Schrumpfkur. Weise schlägt zudem vor, dass der zweite Sitz des Verteidigungsministeriums in Bonn zu untergeordneten Behörde werden soll.
Die Notwendigkeit, das Bonn-Berlin-Gesetz zu überarbeiten, sieht die Regierung aber derzeit nicht. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, es gebe keinen Grund, jetzt an dem Gesetz zu rütteln. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums fügte jedoch hinzu, gegebenenfalls werde man bei der anstehenden Prüfung über das Bonn-Berlin-Gesetz „stolpern“.
Offiziere und Beamte sprechen nun vom „Anfang vom Ende des Reisezirkus zwischen Bonn und Berlin“. Das Hin- und Herfliegen über die 600-Kilometer-Distanz vom Rhein an die Spree habe sich zwar in all den Jahren eingespielt, bleibe aber „letztlich doch umständlich, beschwerlich und sehr teuer“. Während in Berlin regiert werde, müsse sich Bonn mit Faxen und Videoschaltungen begnügen.
Die Kosten für die Teilung der Ministerien werden für 2010 auf rund 11 Millionen Euro geschätzt. In einem dapd-Gespräch hatte der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Ernst-Reinhard Beck (CDU), gesagt: „Sollte Verteidigungsminister zu Guttenberg es schaffen, das schon legendäre Bonner Beharrungsvermögen zu brechen, wäre das sehr begrüßenswert. Die politische Musik spielt längst in Berlin.“ Die FDP hingegen kämpft für die Bonner Standorte. FDP-Chef Guido Westerwelle ist Bonner.
Die Diskussion über eine mögliche Abwanderung der sechs letzten Bonner Ministerien an die Spree – Verteidigung, Gesundheit, Umwelt, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Landwirtschaft sowie Bildung und Forschung – erhitzt die Gemüter, seit sich der Bundestag in einer von heftigen Emotionen getragenen Sitzung am 20. Juni 1991 in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn mit der knappen Mehrheit von 338 zu 320 Stimmen für Berlin als neuen Sitz von Regierung und Parlament entschieden hat. Im Bonn-Berlin-Gesetz vom 10. März 1994 wurde dann festgelegt, dass nur 25 Prozent der Mitarbeiter eines Ressorts, das wie das Verteidigungsministerium in Bonn seinen Erstsitz hat, nach Berlin verlegt werden dürfen.
Nach dem Teilungskostenbericht der Bundesregierung vom Mai sind etwa 54 Prozent der Regierungsstellen in Berlin, 46 Prozent in Bonn. Etwa 10.400 Bundesbeamte und Angestellte arbeiten in Berlin, 9.000 am Rhein. Die Leitung der Bundeswehr ist im Berliner Bendler-Block mit Stand vom Mai 2010 mit 517 Angehörigen vertreten. Auf der Hardthöhe arbeiten gegenwärtig 2715 Offiziere und Beamte. Die Strukturkommission schlägt für die Zukunft eine Halbierung der Gesamtzahl der Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums vor, um eine „effiziente Führung“ der Bundeswehr gewährleisten zu können.
Bisher hat sich Bonn auf den römischen Rechtsgrundsatz „Pacta sunt servanda“ berufen, dass also Verträge für die gesetzlich festgelegte „Arbeitsteilung“ zwischen Bonn und Berlin eingehalten werden müssen. Erst vor kurzem hatten der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises, Frithjof Kühn, und der Landrat des Kreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler, in einer gemeinsamen Erklärung die „neue unverständliche Diskussion“ über den „Rutschbahneffekt“ von Bonn nach Berlin kritisiert. Die ständigen Versuche, das Berlin-Bonn-Gesetz auszuhöhlen, seien „überflüssig und gegen alle Regelungen und Vernunft“.
Der SPD-Fraktionsvize Ulrich Kelber, der als Abgeordneter im Bundestag seit langem für Bonn kämpft, hat seine Bedenken gegen die Empfehlungen der Strukturkommission deutlich gemacht. Er fordert, die Spekulationen über einen Totalumzug des Verteidigungsministeriums nach Berlin zu beenden. Wenn Guttenberg damit durchkomme, Recht und Gesetz zu brechen, werde der Druck auf die anderen Ministerien steigen, dasselbe tun zu dürfen.
Die Kosten für einen Gesamtumzug der sechs Ministerien von Bonn nach Berlin werden von Experten auf fünf Milliarden Euro geschätzt. Dazu kommen rund zehn Milliarden Euro, die der Umzug der anderen Ministerien und Regierungsstellen vom Rhein an die Spree ab 1999 gekostet hat. Fest „verankert“ in Berlin sind heute die Ministerien des Inneren, der Justiz, der Finanzen, für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, für Familie und das Auswärtige Amt. Sie haben nur Nebenstellen in Bonn.