Die Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 haben sich auf den Beginn des Schlichtungsverfahrens verständigt. Erste Gespräche am Freitag.
Stuttgart. Der Weg für eine Schlichtung im Konflikt um das Bahnprojekt Stuttgart 21 ist frei. Der Dialog zwischen Gegnern und Befürwortern des Bahnprojekts werde an diesem Freitag beginnen, sagte der Vermittler Heiner Geißler am Donnerstagabend nach einem Treffen mit dem Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21. „Wir sind überein gekommen, dass wir uns (...) treffen, um mit den Schlichtungsgesprächen zu beginnen.“
Es sei geplant, die „Sach-und Fachschlichtung“ wie vom Aktionsbündnis gefordert im Internet zu übertragen. „Wir eröffnen damit einen völlig neuen Weg der Bürgerbeteiligung“, sagte der frühere CDU-Generalsekretär. Dies sei eine „Innovation unter Demokraten“, die zu mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit führen solle.
In einem Vorgespräch mit Bahn und Landesregierung wollen die Gegner allerdings noch darauf hinwirken, dass die Bauarbeiten für das Grundwassermanagement während der Schlichtungsgespräche eingestellt werden. „Wir sind uns in allen Punkten einig geworden. Es gibt nur eine Einschränkung“, sagte Geißler. Die Bahn habe darauf bestanden, die Vorarbeiten an der Regulierung des Grundwassers fortzusetzen. Der Bau der Betonwanne folge aber plangemäß erst Ende November.
Für das Aktionsbündnis erklärte Hannes Rockenbauch „Wir wollen diesen öffentlichen Faktencheck ohne Tabus.“ Die Arbeiten am Grundwassermanagement seien „der letzte Knackpunkt“. Zuvor hatte der Grünen-Verkehrsexperte Werner Wölfle allerdings erklärt, man sei einverstanden, wenn nur die Vorarbeiten fortgesetzt würden. „Das ist ein Zugeständnis unsererseits, damit kann man irgendwie leben.“
Geißler erklärte, dass sieben Vertreter von jeder Seite am runden Tisch Platz nehmen sollen. Für die Träger des Projekts seien dies unter anderem Ministerpräsident Stefan Mappus, Verkehrsministerin Tanja Gönner (beide CDU) und Volker Kefer von der Deutscher Bahn. Die Teilnehmer des Aktionsbündnisses stehen noch nicht fest.
Mappus begrüßte es, dass der Vermittler den Durchbruch geschafft habe. „Es ist gut, dass Projektbefürworter und Projektgegner in der Sache ins Gespräch kommen. Der Dialog kann nun beginnen. Dabei gilt: Alles auf den Tisch, alle an den Tisch.“ Die Gegner von Stuttgart 21 hatten vor dem Treffen mit Geißler betont, sie wollten keine Schlichtung hinter verschlossenen Türen. „Es muss ein öffentlicher Prozess sein“, sagte Wölfle. Er sprach von einer Übertragung der Schlichtung über Großleinwände, Fernsehen oder Internet: „Es nutzt nichts, wenn nur wir die Fakten erhalten.“ Auch der Stadtrat der SÖS (Stuttgart Ökologisch Sozial), Rockenbauch, betonte: „Das dürfen keine Hinterzimmergespräche werden.“
Die Südwest-SPD dringt derweil weiter auf einen Volksentscheid zu Stuttgart 21. Sie macht ihre Regierungsbeteiligung nach der Landtagswahl im März davon abhängig, ob der mögliche Koalitionspartner sich diesem Kurs anschließt. SPD-Landeschef Nils Schmid sagte: „Wer mit uns koalieren will, der muss sich zu diesem Weg der Vernunft bekennen.“ Damit rückt eine Koalition mit der CDU in weite Ferne, weil die Union einen Volksentscheid strikt ablehnt. Schmid warf den Grünen – dem Wunschkoalitionspartner – vor, sich um ein klares Ja zu einem Volksentscheid herumzudrücken: „Die Grünen müssen Farbe bekennen, ob es ihnen jetzt um ein wahltaktisches Pingpong-Spiel zwischen Grün und Schwarz geht oder ob sie der Urteilskraft der Bürgerinnen und Bürger vertrauen.“
Das 4,1 Milliarden Euro teure Projekt Stuttgart 21 sieht den Umbau des Stuttgarter Kopfbahnhofs in eine unterirdische Durchgangsstation und deren Anbindung an die geplante ICE-Neubaustrecke nach Ulm vor.Für das Projekt gingen am Donnerstag nach Polizeiangaben rund 5000 Menschen auf die Straße. „Wir sind Stuttgart 21!“, skandierten die Teilnehmer der Kundgebung.
Unterdessen rügte das Verwaltungsgericht Stuttgart die Deutsche Bahn für ihr Verhalten in einem Verfahren gegen die Rodung von 25 Bäumen im Stuttgarter Schlossgarten für Stuttgart 21. Demnach sind die umstrittenen Baumfällarbeiten am 1. Oktober nur erfolgt, weil die Bahn dem Gericht eine wichtige Unterlage vorenthalten hatte. Sonst hätte das Gericht einem Eilantrag des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen die Rodung stattgegeben, teilte das Gericht mit. Bei dem fehlenden Papier handelt es sich um ein Schreiben des Eisenbahn-Bundesamtes, wonach die Rodung den im Schlossgarten lebenden seltenen Juchtenkäfer bedroht.