Zum historischen Abend brachte die Kanzlerin ausnahmsweise ihren Mann mit. Die Deutschen hätten lieber Gauck als Wulff als Oberhaupt.
Berlin. Die beiden, die ihn ins Amt hievten, waren da, seine Familie, die er über alles liebt, der erste kommissarische Bundespräsident der deutschen Geschichte sowie die höchsten Vertreter der politischen Klasse, die Horst Köhler so kritisch beäugte.
Der Große Zapfenstreich für den scheidenden Bundespräsidenten war der schwerste Tag im Leben Köhlers. An der Zeremonie im Park des Berliner Schlosses Bellevue nahmen unter anderem Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem Mann Joachim Sauer und Vizekanzler Guido Westerwelle teil. Merkel und Westerwelle hatten Köhler 2004 überzeugt, sich als Bundespräsident aufstellen zu lassen.
Auch Köhlers Ehefrau Eva Luise und seine beiden Kinder Ulrike und Jochen waren zugegen. Neben Köhler standen während der Zeremonie Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker.
Der Große Zapfenstreich begann um 22 Uhr mit dem Einmarsch der Formation zu den Klängen des Yorck'schen Marsches. Das höchste militärische Zeremoniell der Bundeswehr steht Bundespräsidenten, Bundeskanzlern und Verteidigungsministern zu. Für die musikalisch gestaltete Abschiedszeremonie lässt die Bundeswehr gewöhnlich ihr Stabsmusikkorps aufmarschieren, das von Soldaten unter Gewehr und Fackelträgern begleitet wird.
Auf Wunsch Köhlers spielte das Musikkorps den „Marsch der Elisabether“ von Johann Strauss, einen historischen Marsch aus der Zeit Friedrich des Großen sowie den „St. Louis Blues“ von William Handy. Reden oder Grußworte werden beim Großen Zapfenstreich traditionell nicht gehalten. Abgeschlossen wurde er mit der Nationalhymne. Köhler war sichtlich bewegt.
Die Anfangszeile des „St. Louis Blues“ lautet: „Ich hasse es, die Abendsonne untergehen zu sehen“ („I hate to see that evenin’ sun go down“). Viel mehr Hinweise auf seine Gefühlslage leistete sich Köhler auch an diesem Abend nicht. Um die eigene Zukunft muss sich der neunte Bundespräsident keine großen Sorgen machen. Köhler bekommt das gleiche Gehalt wie bisher. Derzeit sind das 199.000 Euro pro Jahr als „Ehrensold“. Zudem hat er das Recht auf ein eigenes Büro, Dienstwagen, Büroleiter und persönliche Sekretärin. Die Dienstvilla muss er räumen. Die Köhlers haben aber noch eine Privatwohnung in Charlottenburg.
Köhler war Ende Mai wegen der Kritik an seinen Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurückgetreten. Sein Nachfolger wird am 30. Juni gewählt. Das Amt soll nach dem Willen von Union und FDP der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff übernehmen. Aber auch der SPD-Grünen-Kandidat Joachim Gauck erfreut sich großer Beliebtheit.
Könnten die Deutschen ihren Bundespräsidenten direkt wählen, würden sich laut einer „Stern“-Umfrage 41 Prozent für den ehemaligen Chef der Stasi-Unterlagen-Behörde entscheiden. Für den niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff würden 35 Prozent stimmen. Die von der Linkspartei ins Rennen geschickte Luc Jochimsen ist mit 3 Prozent weit abgeschlagen. 21 Prozent sagten, sie würden keinen dieser Kandidaten wählen.