Über Facebook hatte er die Netzgemeinde zu Fragen animiert. Doch Polit-Profi Christian Wulff enttäuschte die User mit Fußball-Plattitüden.
Hamburg. Schon wieder Fußball. Christian Wulff, niedersächsischer Ministerpräsident und Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, mag diesen Vergleich offenbar recht gern. „Was Teamwork bringt, haben wir ja im Spiel gegen Australien gesehen“, sagt er in die Kamera. Und Teamwork, schiebt Wulff sogleich hinterher, müsse ja auch in der Politik möglich sein.
Ein Internetuser hatte den CDU-Mann vorher nach den Querelen in der Regierungskoalition gefragt. Beziehungsweise nach den gegenseitigen Beschimpfungen, die bekanntermaßen dem vokabularischen Dickicht von Flora und Fauna entnommen waren. Wulff, das kann man sagen, hatte damit den heikelsten Tagesordnungspunkt hinter sich gebracht, dem er sich in seinem Video-Chat stellen musste. Eine halbe Stunde lang hat er dafür vor Laptop und Kamera gesessen – und nur auf solche Fragen geantwortet, die ihm nicht gefährlich werden konnten. Das ging nach hinten los.
Denn im Vorfeld hatte der Ministerpräsident im sozialen Netzwerk Facebook per Du dazu aufgefordert, Fragen einzureichen. Ein direkter Draht zu einem Politiker – so wurde es suggeriert und so ist auch der Weg, wie Kommunikation im Internet normalerweise funktioniert: schnell, ungefiltert, authentisch. Doch nichts davon trifft zu.
Die Fragen sind sorgsam ausgewählt, Wulff gewohnt professionell. Das ärgert die User. „Sehr langweilig“, schreibt einer in das Chatfenster neben dem Video. „Plattitüdensammlung“ nennt ein anderer die Antworten. Der Unmut liegt auch daran, dass der Name „Gauck“ während der 30 Minuten kein einziges Mal fällt. Dabei gehen viele Fragen, die öffentlich und für jedermann einsehbar auf Wulffs Facebook-Seite gelistet sind, in genau diese Richtung. Viele wollen wissen, was Wulff von seinem Konkurrenten hält. Wie es sich anfühlt, in Meinungsumfragen nur Zweiter zu sein. Doch dazu schweigt der Politiker. „Wer filtert die Fragen?“, will ein User wissen.
Als Wulff schließlich sagen soll, was ihn denn als Bundespräsidenten auszeichnen würde, bedient er sich stattdessen erneut beim Fußball: Ein Vorteil nämlich sei auch sein noch nicht allzu vorangeschrittenes Lebensalter – und an dem Spiel der Nationalmannschaft könne man ja sehen, was es bringt, den Jungen eine Chance zu geben. Die Reaktion eines Users: „Hör auf mit den Fußball-Beispielen.“
Zwar geht es während des Chats auch um wichtige Fragen wie Migration oder Schulden , aber schließlich auch um vermeintlich persönliche Details wie Familie und Hobbys. Und so erfahren die User auch all das, was sie eigentlich nicht wissen wollten. Dass Wulff in seiner Freizeit – natürlich neben Fußball – auch Basketball und Jogging mag, dass er als Bundespräsident Brücken bauen und Gräben überwinden und außerdem die große Vision von Weltoffenheit und Friedfertigkeit verfolgen will. Das alles ist zweifelsohne löblich – kommt aber zumindest beim Internetpublikum nicht so richtig an. Fußball kann da leider auch nicht helfen.