Präsidiumsmitglied Steffen Roller sagte: „Es gibt viele Hartz-IV-Empfänger, die es nicht schaffen, sich so und so oft im Monat zu bewerben.“
Hamburg. Angesichts erneut gestiegener Zahlen der Klagen gegen Hartz IV hat der Deutsche Richterbund die Jobcenter zu mehr Verantwortungsbewusstsein bei Sanktionen aufgefordert. Präsidiumsmitglied Steffen Roller sagte dem Abendblatt: „Die Verwaltung braucht mehr Augenmaß bei Sanktionen. Es gibt viele Hartz-IV-Empfänger, die es nicht schaffen, sich so und so oft im Monat zu bewerben. Die sind nicht in der Lage, Fristen einzuhalten oder einfachste Bewerbungsschreiben aufzusetzen.“
Die Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger, einen Job anzunehmen, habe sich der Gesetzgeber anders gedacht. Richterbunds-Präsidiumsmitglied Roller schlägt vor: „Die Sanktionen könnte man auf Fälle begrenzen, in denen man den Eindruck hat: Da will einer nicht.“ Das sei die Aufgabe der Jobcenter.
Die erneut gestiegene Zahl der Hartz-IV-Klagen beunruhigen den Richterbund. Roller begründete die vor allem in Berlin stark angeschwollene Klagewelle mit einer „Kultur auf Klägerseite, in der es gut vernetzte Leute chic finden, gegen die Bescheide zu klagen“. Seit das Bundesverfassungsgericht angekündigt habe, die Regelsätze zu überprüfen, habe es einen weiteren Ansturm auf die Sozialgerichte gegeben. Roller: „Da haben viele gesagt: Mein Satz ist auch zu niedrig.“
Sollte sich die Wirtschaftskrise noch negativer auf dem Arbeitsmarkt auswirken, erwartet der Richterbund ein Anschwellen der Kündigungsschutzprozesse. Sollten die entlassenen Mitarbeiter nach einem Jahr Arbeitslosengeld I dann in Hartz IV rutschen, dürften die Klagen dort erneut steigen. Roller sagte: „Da geht es dann um was, denn das sind oft Leute, die Vermögen haben. Und eine Leistung gibt es nur noch, wenn man bedürftig ist. Da wird sicherlich vor Gericht gekämpft.“
Von einer reinen Erhöhung der Hartz-IV-Sätze hält Roller nichts. „Wenn man den Leuten mehr Geld gibt, werden die Klagen nicht wesentlich zurückgehen. Das sieht man im Verhältnis zur Sozialhilfe, wo viele unterm Strich weniger Geld hatten, aber das akzeptiert haben.“
Die Klageflut gegen Hartz IV werde erst abebben, wenn die Politik mehr pauschale Regelungen findet. Dann müsste sich allerdings deutlich aus dem Gesetz ableiten lassen, wie groß etwa eine Wohnung sein darf, wenn sie „angemessen“ ist.