Der hessische Ministerpräsident verteidigt seine Vorschläge zur Hartz-IV-Reform. Die Kritik an seinem Vorstoß hält in den Parteien an.
Frankfurt/Main. In der Debatte um eine Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch nachgelegt. Der Staat solle Hunderttausende Jobs für Langzeitarbeitslose in der gemeinnützigen Bürger- und Gemeindearbeit schaffen, forderte der CDU-Politiker laut „Welt Online“. Koch räumte dem Interview zufolge ein, es sei eine enorme Herausforderung, Arbeit für alle zu organisieren, die Unterstützung bekommen. Es gebe in der Gesellschaft aber genug Arbeit zu tun.
Koch verteidigte zugleich seine Forderung nach einer Arbeitspflicht für Hartz-IV-Empfänger, die am Wochenende auf allen Seiten erhebliche Kritik hervorgerufen hatte. Die Legitimation von Politikern beruhe auch darauf, dass sie Schwächen und Fehler des Systems ansprächen, die jeder normale Bürger auch sehen könne: „Sonst machen wir uns unglaubwürdig“, wird der stellvertretende CDU-Vorsitzende zitiert.
Koch forderte, Transferempfängern müsse eine Anstrengung abverlangt werden. Zwar seien auch heute schon einige Instrumente gegen arbeitsunwillige Hartz-IV-Empfänger vorgesehen. „Doch der Vollzug ist offensichtlich schwierig, sonst wären wir ja auf diesem Gebiet schon ein Stück weiter.“ Die Arbeitsverwaltung müsse verpflichtet werden, Sanktionen auch einzusetzen, forderte Koch.
Wenig gemeinnützige Arbeitsangebote verfügbar
Die Kritik an Kochs Vorstoß hält unterdessen an. Auch sein Parteikollege, der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, wies die Forderung zurück. Schon jetzt müssten diese angebotene Arbeitsmöglichkeiten annehmen, sagte Laumann der „Frankfurter Rundschau“. „Unser Problem ist dabei nicht, dass wir zu wenig arbeitswillige Hartz-IV-Bezieher haben, sondern das Gegenteil ist der Fall: Wir haben zu wenig gemeinnützige Arbeitsangebote.“
Viel mehr Menschen als bislang könnten nicht gemeinnützig beschäftigt werden, erklärte Laumann. Ansonsten befürchte er „eine verheerende Wirkung auf dem Arbeitsmarkt“. Am Wochenende hatten sich schon Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers von Kochs Vorschlag distanziert.
Der Chef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, forderte dagegen in der „Bild“-Zeitung, die Kommunen sollten mehr als bisher von der Möglichkeit Gebrauch machen, Hartz-IV-Empfänger zu gemeinnütziger Arbeit heranzuziehen: „Wenn dazu Gesetzesänderungen notwendig sein sollten, müsste man dies machen.“
Scharfe Kritik kam von der nordrhein-westfälischen SPD-Vorsitzenden Hannelore Kraft: „Roland Koch betätigt sich ganz kalkuliert als Brandstifter“, sagte Kraft der „Rheinischen Post“.„Die CDU macht so gezielt Stimmung, dass alle Hartz-IV-Empfänger Faulenzer sind“, wurde Kraft zitiert. Nach der NRW-Wahl im Mai würden dann Kürzungen bei den Hartz-IV-Sätzen folgen. „Diese Politik der Union ist zynisch. Denn die meisten Hartz-IV-Empfänger wollen arbeiten, weil sie sich mit einer geregelten Arbeit als wertvoller Bestandteil der Gesellschaft fühlen wollen.“
Eine Ausweitung der Hinzuverdienstmöglichkeiten lehnt Hilmar Schneider vom Bonner Forschungsinstituts für die Zukunft der Arbeit (IZA) ab: „Schon die vorhandenen Möglichkeiten sorgen für Verwerfungen. Wenn heute in bestimmten Branchen Dumpinglöhne gezahlt werden, dann deshalb, weil die Arbeitgeber sich darauf verlassen können, dass die Beschäftigten sich den Rest beim Staat holen“, sagte der Direktor für Arbeitsmarktpolitik der „Super Illu“.