Gefeuerter Generalinspekteur greift Verteidigungsminister an. Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre nimmt in Berlin die Arbeit auf.
Hamburg/Berlin. Mit jedem Tag, der verstreicht, kommen neue brisante Details über das Bombardement von Kundus ans Tageslicht, wird die politische Auseinandersetzung darüber schärfer. Der Bundestag debattierte in einer Aktuellen Stunde über die Affäre, und in Berlin konstituierte sich der Untersuchungsausschuss. Das Gremium nahm mit der Beratung mehrerer Beweisanträge und vor dem Hintergrund immer neuer Meldungen und Gerüchte seine Arbeit auf.
So soll Oberst Georg Klein, der den Angriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklaster befohlen hatte, bei dem bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden, vor dem Hintergrund sehr konkreter Terrorplanungen der Taliban gehandelt haben. Bundesnachrichtendienst (BND) und Kommando Spezialkräfte (KSK) hätten drei Wochen zuvor einen Plan der Taliban für einen Terrorangriff mit Tanklastwagen auf das deutsche Lager in Kundus enthüllt, der auch der Bundesregierung bekannt gewesen sein soll.
Irgendwo zwischen Rache und Rechtfertigung muss wohl die ungewöhnliche Offensive des ehemaligen Bundeswehr-Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan einzuordnen sein. Schneiderhan warf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der ihn zusammen mit Staatssekretär Peter Wichert Knall auf Fall entlassen hatte, in der "Zeit" vor: "Was diesen 25. (November, den Tag seiner Entlassung) nachmittags angeht, sagt er die Unwahrheit." Schneiderhan entrüstete sich vor allem über Guttenbergs Vorwurf, er habe ihm wichtige Akten vorenthalten und Berichte "unterschlagen". "Das finde ich inzwischen ehrenrührig", sagte der frühere oberste deutsche Soldat. "Unterschlagen" habe für ihn den Geschmack des Vorsatzes", den es nicht gegeben habe. Dass Guttenberg vorschnell formuliere, sei ja bekannt, "aber das hier ist schon eine Steigerungsstufe". Zugleich übernahm er jedoch noch einmal die Verantwortung dafür, dass Guttenberg nicht alle Berichte vorgelegt worden seien.
Guttenberg verwahrte sich gegen die Vorwürfe und warf der Opposition im Bundestag "Klamauk" vor. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich nahm Guttenberg gegen den Vorwurf der Lüge in Schutz und meinte mit Blick auf Schneiderhan, die Erkenntnisse der letzten Tage zeigten: "In der militärischen Führung im Bundesverteidigungsministerium gab es eine Tendenz, sich selbstständig zu machen." Es sei das Verdienst von Guttenberg, den Primat der Politik wiederhergestellt zu haben. Derweil wurde aus dem Kanzleramt bekannt, dass das Verteidigungsministerium - damals noch unter Franz Josef Jung - Bundeskanzlerin Angela Merkel erst am 10. September, also fünf Tage nach dem Bombardement, die Berichte der Afghanistan-Truppe Isaf ("Initial Action Report") und von Oberst Klein zugeleitet habe. Das Ministerium hatte diese Berichte bereits seit dem 6. vorliegen. Am 8. September hatte Merkel eine Regierungserklärung dazu abgegeben.
Die FDP-Fraktion verlangte von Guttenberg indessen eine Klarstellung, ob das Bundestagsmandat für Afghanistan gezielte Tötungsaktionen gegen die Taliban zulasse.
Der langjährige SPD-Außenexperte und frühere Hamburger Bürgermeister Hans-Ulrich Klose sagte dem "Tagesspiegel" dazu, ihm gefalle der Begriff "gezielte Tötung" nicht. "Aber die Bekämpfung hochrangiger Taliban-Kämpfer halte ich für zulässig, wenn man sie als solche identifiziert hat." Die Einsatzregeln würden dies abdecken.
Die Bundesregierung wird sich dem Verlangen der USA und der Nato-Partner fügen und die deutschen Streitkräfte um bis zu 2000 Mann aufstocken. Nach Informationen der WAZ-Mediengruppe Essen haben die Amerikaner und die Nato bereits entsprechende Signale erhalten. Bekanntgegeben werden soll die Entscheidung nach der internationalen Afghanistankonferenz Ende Januar in London .