Die SPD lehnt eine Aufstockung deutscher Truppen in Afghanistan ab. Nötig sei eine Verstärkung des zivilen Aufbaus.
Berlin. Die SPD lehnt nach den Worten von Parteichef Sigmar Gabriel eine Aufstockung deutscher Truppen in Afghanistan ab. „Für zusätzliche Kampftruppen über die bisherige Obergrenze hinaus wird es die Zustimmung der SPD nicht geben“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Nötig sei eine Verstärkung des zivilen Aufbaus und nicht der Truppen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann stellte wegen einer „schweren Vertrauenskrise“ in der Kundus-Affäre auch die Zustimmung der SPD für künftige Auslandseinsätze der Bundeswehr infrage.
US-Präsident Barack Obama hatte angekündigt, die in Afghanistan stationierten US-Truppen um 30000 Mann aufstocken und einen Abzug im Sommer 2011 einleiten zu wollen. Nach Einschätzung der NATO-Militärs muss auch Deutschland im kommenden Jahr mehr Soldaten in den Norden Afghanistans schicken. Bislang liegt die Obergrenze bei 4500 Bundeswehrsoldaten. Der Bundestag hatte das sogenannte ISAF-Mandat Anfang Dezember um ein weiteres Jahr verlängert.
Die „Leipziger Volkszeitung“ (Samstag) berichtete, im Berliner Verteidigungsministerium sei bereits eine Expertengruppe konkret damit beschäftigt, Truppen- und Ausrüstungsplanungen auf Basis einer Anforderung von 2500 weiteren Soldaten bis zur internationalen Afghanistan-Konferenz Ende Januar in London voranzutreiben.
Ein Ministeriumssprecher erklärte dazu am Samstag auf Anfrage, es sei „Teil der normalen Stabsarbeit“, verschiedene militärische Optionen durchzudenken. „Neben der Möglichkeit, den Schwerpunkt der Truppen zu verschieben, gehört natürlich auch die Option einer Truppenverstärkung in den militärischen „Werkzeugkasten“. Konkrete Zahlen stehen dabei nicht im Fokus.“ Entscheidungen zum weiteren Vorgehen in Afghanistan seien damit nicht verbunden. Die Bundesregierung hatte erklärt, nicht vor der Konferenz über eine Aufstockung der Truppen am Hindukusch entscheiden zu wollen.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, noch vor der Afghanistan-Konferenz im Bundestag zu erklären, was die Regierung als Beitrag oder Nichtbeitrag der Deutschen in Afghanistan vorschlagen werde. Auf die Frage, ob die SPD bereit sei, eine Truppenaufstockung mitzutragen, sagte Nahles im Deutschlandradio Kultur: „Ich sehe zurzeit überhaupt noch keine Veranlassung, irgendwelche Aussagen dazu zu treffen.“ Es sei Sache der Regierung, erst einmal zu erklären, wie sie die Lage einschätze.
Oppermann sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ angesichts der Kundus-Affäre: „Der Bundestag muss sich darauf verlassen können, dass er präzise und umfassende Informationen von der Regierung erhält. Daran gibt es erhebliche Zweifel.“ Zwischen Regierung und Bundestag sei es zu einer „Vertrauenskrise“ gekommen, weil die Umstände des Luftschlags auf Anforderung eines Bundeswehr-Oberst im nordafghanischen Kundus am 4. September mit bis zu 142 Toten und Verletzten verschleiert worden seien. Oppermann kündigte eine schonungslose Befragung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) an. Wer im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Kundus-Affäre nicht die Wahrheit sage, mache sich wegen Falschaussage strafbar. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, warf der SPD daraufhin vor, ein „Tribunal“ gegen Guttenberg inszenieren zu wollen. Es gehe um die Aufklärung eines schwerwiegenden Vorfalls. „Wer jetzt versucht, eine Staatsaffäre zu kreieren, ist nicht an Klärung interessiert“, sagte er.