Die neue Regierung legt das Milliarden-Projekt vorerst auf Eis. Doch wer stopft das Milliarden-Finanzloch der Kassen?
Berlin/Hamburg. Die Experten von Union und FDP haben sich in den Koalitionsverhandlungen auf mehrere Vorhaben im Bereich Gesundheit und Pflege verständigt. Doch wie die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung verbessert werden kann, ist weiter umstritten.
Die Versicherten sollen die Einnahmeausfälle infolge der Wirtschaftkrise aber nicht alleine schultern. „Gesamtstaatliche flankierende Maßnahmen“ sollen als Hilfe greifen und „unnötige Ausgaben“ vermieden werden, steht im Papier der Facharbeitsgruppe. Aber Vorschläge von CDU und CSU sehen vor, dass die Kassen die Hoheit über einen Teil der Beiträge erhalten und die Höhe selbst festsetzen können. Für den Zusatzbeitrag, den die Kassen bei knapper Haushaltslage von den Versicherten einfordern dürfen, gilt bislang eine Obergrenze von einem Prozent des Einkommens. Die CDU will die Belastungsgrenze auf zwei Prozent heraufzusetzen, sozial Schwache sollen einen Ausgleich bekommen. Die CSU hat ein eigenes Modell vorgelegt.
Union und FDP wollen die Ausgabe von Arzneimittel an Abholstellen in Drogerien und Supermärkten verbieten. Ziel sei es, „Auswüchse“ beim Versandhandel zu bekämpfen. Drogeriemärkte und andere Geschäfte können seit 2004 Medikamente bei Versandapotheken bestellen und sie an Abholstationen an ihre Kunden abgeben. Gegner kritisieren, durch die Abgabe von Medikamenten durch fachfremde Stellen sei die Arzneimittelsicherheit gefährdet.
Die Preise für neue Arzneimittel sollen stärker am Nutzen des Medikaments ausgerichtet werden. Zudem setzen Union und FDP verstärkt auf Vereinbarungen zwischen Krankenkassen und Pharmaherstellern über den Preis für innovative Medikamente. Nach Einschätzung von Wissenschaftlern ist der Preis patentgeschützter Medikamente in Deutschland im internationalen Vergleich zu hoch und der zusätzliche Nutzen neuer Präparate oftmals fraglich.
Die private Krankenversicherung soll als Voll- und Zusatzversicherung erhalten bleiben. Die Wartefrist bis zum Wechsel von einer gesetzlichen in eine private Kasse soll wie in früheren Zeiten nur ein Jahr betragen – nicht drei wie derzeit.
Die elektronische Gesundheitskarte wird vorerst gestoppt. Ziel ist eine Überprüfung des milliardenteuren Projekts, das sich wegen Unstimmigkeiten zwischen Ärzten und Kassen und wegen datenschutzrechtlicher und technischer Fragen seit Jahren verzögert. Die Erfahrungen in den Testregionen sollen ausgewertet werden. In die Pflegeversicherung sollen kapitalgedeckte Elemente kommen. Ähnlich wie bei der „Riester-Rente“ würde jeder Versicherte dann eine eigene Vorsorge betreiben und am Ende den angelegten Betrag als Leistung erhalten.
An der freien Arztwahl will die künftige Koalition nicht rütteln. Die Honorarreform für Ärzte soll Kurskorrekturen unterzogen werden. Damit sich Mediziner in unterversorgten Gebieten niederlassen, werden die Mobilitätshilfen ausgeweitet. (rtr/ryb)