Behörden warnen vor “Panik“. Niedersachsens Innenminister Schünemann spricht von Erpressungsversuch der Islamisten.
Hamburg. Reisen nach Deutschland können vor und nach der Bundestagswahl gefährlich werden. Aus dieser Einschätzung der Terrorbedrohung heraus hat das US-Außenministerium seine Bürger gestern zu erhöhter Wachsamkeit bei Besuchen in der Bundesrepublik aufgerufen. Der "Travel Alert" gilt bis zum 11. November. Bis dahin sollen sich US-Bürger in Deutschland aufmerksam verhalten, sich der erhöhten Gefahr bewusst sein und die Sicherheitsvorkehrungen in Hotels, Restaurants und bei öffentlichen Veranstaltungen prüfen und abwägen. Auch wenn dieser Aufruf unterhalb einer Reisewarnung bleibt, hat es bei den ohnehin alarmierten deutschen Sicherheitsbeamten für erneute Unruhe gesorgt. So weit sind die USA bisher nicht gegangen.
Das US-Außenministerium bescheinigt den deutschen Sicherheitsbehörden allerdings auch, dass sie die Terrorbedrohung ernst nehmen und die Sicherheitsstufe erhöht haben. Vor allem an den Flughäfen ist die Polizei verstärkt präsent: Dort sind besonders geschützte Fahrzeuge etwa in München, Frankfurt, Düsseldorf und Köln/Bonn unterwegs. Mitarbeiter sind oft mit schusssicheren Westen und Maschinenpistolen auf Streife, so an den Flughäfen Frankfurt, Berlin-Schönefeld und Tegel sowie Hamburg. Auch die Bundespolizei in Baden-Württemberg verstärkte ihre Sicherheitsmaßnahmen. Darüber hinaus könne er im Moment aber nicht erkennen, dass weitere Maßnahmen erforderlich seien, sagte der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke. Eine "konkrete Bedrohungslage" gebe es nicht, betonte er erneut.
Grund für die alarmierte Stimmung sind die in dieser Woche aufgetauchten drei Drohbotschaften des Terrornetzwerks al-Qaida, die sich im Vorfeld der Wahl ausdrücklich gegen Deutschland richten. Das Ziel: durch einen Anschlag oder allein schon dessen Androhung den Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan zu erzwingen. Als Blaupause dafür gelten den Islamisten die Anschläge auf die Vorortzüge in Madrid im März 2004 drei Tage vor der Wahl in Spanien. Die 191 Toten brachten die Spanier politisch zum Umdenken. Entgegen allen bisherigen Vorhersagen gewannen die Sozialisten und zogen umgehend ihre Soldaten aus dem damals im Irak geführten Terrorkampf ab.
"Wir dürfen uns aber nicht erpressen lassen", sagte gestern Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) dem Hamburger Abendblatt. Es sei nicht der erste Versuch von al-Qaida, Einfluss auf Wahlen zu nehmen. "Die neuen Drohvideos werden ernst genommen und haben die Bedrohung fassbarer gemacht." Wie Ziercke will auch Schünemann einer Panik vorbeugen und betont, dass es "nach wie vor keine konkreten Hinweise auf einen Anschlag" gibt. "Zu Panik besteht kein Anlass", sagte Ziercke.
Einen Bericht der "Bild", nachdem deutsche Sicherheitsbehörden davon ausgingen, dass al-Qaida mit Boden-Luft-Raketen auf Passagiermaschinen schießen könnte, wies der Bundesnachrichtendienst (BND) zurück. Es gebe "weder konkrete Hinweise noch entsprechende Meldungen des US-Geheimdienstes CIA", erklärte ein Sprecher. Was die USA jetzt den Deutschland-Reisenden empfehle - Wachsamkeit und Aufmerksamkeit - gelte auch für deutsche Bürger, sagte Schünemann. Nichts anderes raten die Sicherheitsbehörden auch den Deutschen. "Besondere Beobachtungen sollten gemeldet werden", sagte Niedersachsens Innenminister.