Schon seit dem Frühjahr haben immer wieder Politiker und Sicherheitsexperten vor erhöhter Terrorgefahr zu den Bundestagswahlen gewarnt. Ihre Befürchtungen scheinen sich jetzt zu bestätigen.
Berlin. Ein gegen Deutschland gerichtetes Drohvideo der islamistischen Terrororganisation al-Qaida fordert den sofortigen Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan. Anderenfalls drohe Deutschland nach der Wahl am 27. September "ein böses Erwachen".
Der Sprecher in dem der ARD vorliegenden neuen Video ist nach Angaben des Senders erneut der Bonner Islamist Bekkay Harrach, der sich Abu Talha nennt. Auf Deutsch sagt er mit Blick auf die Wahl am 27. September: "Entscheidet das Volk sich für eine Fortsetzung des Krieges, hat es sein eigenes Urteil gefällt. Die Bundestagswahl ist die einzige Möglichkeit des Volkes, die Politik des Landes zu gestalten." Weiter heißt es in dem Drohvideo: "Mit Abzug des letzten deutschen Soldaten wird auch der letzte Mudschahed aus Deutschland abgezogen."
Harrach, ein Deutscher marokkanischer Herkunft, ist für die Sicherheitsbehörden kein Unbekannter. Er trat bereits in mehreren Propagandavideos von al-Qaida auf. Harrach riet in dem neuen Drohvideo laut ARD den Muslimen in Deutschland, sich zwei Wochen nach der Wahl aus der Öffentlichkeit weitgehend fernzuhalten. Der Türke Ömer Ö., der derzeit wegen seiner mutmaßlichen Al-Qaida-Mitgliedschaft in Koblenz vor Gericht steht, soll nach früheren Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft Harrach angeworben haben. Die Sicherheitsbehörden beobachten seit Monaten verstärkte Aktivitäten und Reisebewegungen von verdächtigen Personen. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte erst am vergangenen Dienstag auf einer Sicherheitskonferenz in Berlin auf die Gefahr von Terroranschlägen vor der Wahl hingewiesen. Allerdings bekräftigte er auch, es gebe keine Erkenntnisse über konkrete Anschlagsplanungen, aber Drohungen im Internet und Hinweise der Nachrichtendienste. Auch die US-Botschaft veröffentlichte am Freitag einen Warnhinweis an in Deutschland lebende US-Bürger. "Es gibt vor den Wahlen am 27. September eine erhöhte Terrorgefahr in Deutschland", teilte die Botschaft mit. Sie appellierte an US-Bürger, vorsichtig zu sein und Maßnahmen für ihre persönliche Sicherheit zu ergreifen.
In Berlin wurden die Sicherheitsmaßnahmen gegen mögliche Terroranschläge weiter verschärft. Die Hauptstadt folgt damit einer Lageeinschätzung des Bundes, wie Innensenator Ehrhart Körting (SPD) mitteilte. Einzelheiten nannte Körting nicht. Aufgrund der erhöhten Gefahr terroristischer Anschläge sind auch die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen und Bahnhöfen massiv verschärft worden. "Es geht um die Präsenz, wir wollen den Reisenden Sicherheit geben", sagte eine Sprecherin des Bundespolizeipräsidiums. Die Anweisung für die Bundespolizisten auf Streife gilt demnach zunächst unbefristet. Die seit Jahresbeginn verstärkt gegen Deutschland gerichteten Drohungen hätten eine neue Qualität erreicht, begründeten die Bundespolizei und das Innenministerium den Schritt. Die Wahl biete einen besonderen Ansatz für "propagandistische und operative Handlungen terroristischer Gruppierungen". Es sei daher von einer erhöhten Gefährdungslage auszugehen. Die Bundespolizei teilte mit, die auf allen Flughäfen und an einigen Bahnhöfen verstärkt präsenten Beamten seien mit Schutzwesten und Maschinenpistolen ausgerüstet.