Genossen, lasst die Tassen im Schrank“, warnte Karl Schiller, SPD- Wirtschaftsminister zu Zeiten von Willy Brandt, die Sozialdemokraten vor...

Genossen, lasst die Tassen im Schrank", warnte Karl Schiller, SPD-Wirtschaftsminister zu Zeiten von Willy Brandt, die Sozialdemokraten vor wirtschaftsfeindlichen und sozialpolitischen Abenteuern. Vergebens. Karl Schiller, einer der Lehrmeister von Helmut Schmidt, zog die Konsequenzen und trat aus der SPD aus. Das war damals eine mittlere Katastrophe - für die SPD und Karl Schiller selbst.

Geschichte wiederholt sich. Auch der Austritt von Wolfgang Clement ist eine Katastrophe - für die SPD und den Ex-Parteisprecher, den Ex-NRW-Ministerpräsidenten, Ex-Bundeswirtschaftsminister und für den Menschen Wolfgang Clement nach 38 Jahren SPD sowieso.

Anders als bei Schiller trifft der Clement-Austritt eine Partei, die im politischen Niemandsland zwischen 20 und 30 Prozent ums Überleben als Volkspartei kämpft. Clements Austritt trifft die Partei zu einer Zeit, als sie unter Müntefering, Steinmeier und Steinbrück gerade wieder Tritt zu fassen versucht.

Gewiss, die großen drei der aktuellen Sozialdemokratie hätten kurz vor einer Landtagswahl nicht von der Wahl der eigenen Partei abgeraten, wie das der zur Cholerik neigende Clement getan hat. Aber die Genossen sollen sich auch nichts vormachen: Müntefering, Steinmeier und Steinbrück vertreten in der Wirtschafts- und Sozialpolitik weitgehend die Politik von Clement und zählen wie er zu den Vätern der schröderschen Hartz-Reformen.

Allerdings ist er weniger wendig als die neue Troika - und bleibt sich und seiner Linie treu. Clements Abgang macht auch überdeutlich, dass die SPD ihren Weg in der Auseinandersetzung mit der Linkspartei ihres Ex-Vorsitzenden Oskar Lafontaine noch immer nicht gefunden hat. Statt um Zustimmung und Wähler zu kämpfen, zerlegt sie sich lieber selber. Das konnten auch die Hamburger gerade beim Sturz des Linken Niels Annen im Wahlkreis 021 (Hamburg-Eimsbüttel) hautnah miterleben.

Bewundernswert ist nur die Leidensfähigkeit vieler SPD-Mitglieder, die trotzdem in der Partei bleiben und für sie um Wähler kämpfen.

Für Schiller hatte das politische Schicksal übrigens ein versöhnliches Ende parat. Der Mann trat kurz vor seinem Tod wieder in die Partei ein. So weit ist Clement noch lange nicht. Die SPD auch nicht.