Der Bundespräsident hat seine umstrittenen Äußerungen jetzt präzisiert. Die Mission in Afghanistan sei gar nicht gemeint gewesen.
Berlin. Bundespräsident Horst Köhler hat Auslandseinsätze der Bundeswehr auch mit der Wahrung deutscher Wirtschaftsinteressen begründet und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Die Kritik aus der Koalition und der Opposition entzündete sich am Donnerstag vor allem daran, dass Köhler den Eindruck erweckte, auch beim Afghanistaneinsatz spielten wirtschaftliche Interessen eine Rolle.
Köhler präzisierte inzwischen seine Äußerungen. Die Afghanistan- Mission sei nicht gemeint gewesen. Grüne und Linke hatten Köhler zuvor vorgeworfen, seine Äußerungen stimmten weder mit der Rechtsgrundlage noch mit der politischen Begründung des Bundeswehreinsatzes am Hindukusch überein. Aus der FDP erhielt der Bundespräsident Unterstützung. Von Politik und Medien weitestgehend unbeachtet hatte Köhler bereits am vergangenen Samstag im Deutschlandradio Kultur gesagt, Deutschland brauche einen Diskurs, wie in Afghanistan einerseits der zivile Aufbau machbar sei, und andererseits der Erwartung der Bevölkerung auf einen raschen Truppen-Abzug entsprochen werden könne. Die Soldaten kämpften dort für die Sicherheit in Deutschland auf der Basis eines UN-Mandats.
In der umstrittenen Passage heißt es dann weiter: „Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandels- abhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“
Präsidenten-Sprecher Steffen Schulze sagte, Köhler habe festgestellt, die Bundeswehr kämpfe in Afghanistan auf der Grundlage eines Mandats der Vereinten Nationen für die Sicherheit auch in Deutschland. Köhler habe darüber hinaus als Beispiele für die Begründung militärischer Einsätze auch die Verhinderung regionaler Instabilität und den Schutz freier Handelswege genannt. „Diese Äußerungen ... beziehen sich auf die vom Deutschen Bundestag beschlossenen aktuellen Einsätze der Bundeswehr wie zum Beispiel die Operation Atalanta gegen Piraterie.“
Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Elke Hoff: „Für mich sind die Vorwürfe gegen den Bundespräsidenten nicht nachzuvollziehen.“ Schon im Weißbuch der schwarz-roten Koalition sei festgehalten, „dass es eine Aufgabe der Bundeswehr ist, in Krisenregionen Stabilisierungsmaßnahmen durchzuführen“. Dazu gehöre für eine Export-Nation wie Deutschland international Transportwege zu sichern, etwa bei der Marinemission am Horn von Afrika. Der CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz hatte zuvor im Deutschlandfunk gesagt, Köhler habe sich missverständlich ausgedrückt. „Er wollte keine neue Militärdoktrin für Deutschland verkünden“. Den Zusammenhang zwischen freien Handelswegen und Afghanistan wolle er nicht herstellen. Aber am „Beispiel des internationalen Einsatzes gegen Piraterie am Horn von Afrika“ sei zu sehen, dass natürlich ein Interesse an freien Handelswegen bestehe. Voraussetzung sei hier ein klares, völkerrechtliches Mandat.
Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt erklärte bei „Spiegel Online“: „Die Äußerungen von Bundespräsident Köhler sind brandgefährlich. Sie offenbaren ein für das Präsidentenamt inakzeptables Verständnis von Verteidigungs- und Sicherheitspolitik.“ Der Vorsitzende der Linken, Klaus Ernst, forderte eine Neuabstimmung des Bundestags über den Afghanistan-Einsatz. Weder die Mandate noch die Verfassung deckten Wirtschaftskriege ab, argumentierte Ernst. „Köhler hat offen gesagt, was nicht zu leugnen ist. In Afghanistan riskieren Bundeswehr-Soldaten Gesundheit und Leben für die Exportinteressen riesiger Konzerne.“ Ernsts Co- Vorsitzende Gesine Lötzsch drang auf einen schnellen Abzug der Bundeswehr bis zum Ende dieses Jahres.