Alle Rüstungsprojekte sollen auf den Prüfstand. Wirtschaftsforscher errechnen immense Kosten für den Afghanistan-Einsatz.
Hamburg. Die Bundeswehr muss sparen – das hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg selbst verkündet.
Nach den energischen Briefen, die Finanzminister Wolfgang Schäuble an alle Ressorts verschickt hat, geht auch bei den deutschen Soldaten die Ungewissheit um: Haben wir noch zeitgemäßes Material, wenn wir im Auslandseinsatz sind?
An der Sicherheit will Guttenberg in keinem Fall sparen. Doch die Grünen haben bereits einen drastischen Umbau der Bundeswehr und den Verzicht auf Rüstungsprojekte mit Kosten in Milliardenhöhe gefordert. Die Bundeswehr könne sich die bestehende Struktur nicht mehr leisten und lebe seit langem über ihre Verhältnisse. „Wir brauchen eine Bundeswehrreform, die ohne Tabus die bisherige Struktur, Aufgaben und Ausgaben auf den Prüfstand stellt“, sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Alexander Bonde.
Die Grünen schlagen eine Verkleinerung der Truppe von 250.000 auf 200.000 Soldaten vor. Beim Kampfflugzeug Eurofighter, beim Schützenpanzer Puma und den U-Booten U212A sollten bereits bestellte Stückzahlen reduziert werden. Auf andere Projekte wie den Kampfhubschrauber Tiger oder das Raketenabwehrsystem MEADS müsse man ganz verzichten, erklärte Bonde.
Die Kosten des deutschen Afghanistan-Einsatzes sind nach einer neuen Studie weit höher als von der Bundesregierung angegeben. Selbst im Falle eines frühzeitigen Abzuges schon im nächsten Jahr würde der Einsatz insgesamt zwischen 18 und 33 Milliarden Euro kosten, ermittelte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf der Basis vorläufiger Schätzungen.
Jedes weitere Jahr koste etwa drei Milliarden Euro, obwohl das Budget im Bundeshaushalt dafür nur rund ein Drittel davon betrage. Bleibe die Bundeswehr noch einige Jahre in dem Land am Hindukusch, dann sei sogar von Gesamtkosten zwischen 26 und 47 Milliarden Euro auszugehen.
Das DIW legte seiner Schätzung fast alle Faktoren zugrunde, die im Zusammenhang mit dem Einsatz Kosten verursachen. Dazu zählen neben Ausbildung und Sold für die Soldaten sowie für die Polizeimission auch Kosten wie die Wertminderung des Materials, für die medizinische Behandlung oder Pflege von Soldaten, für die Entschädigung von Familien, für Witwer- oder Witwenrenten, für den späteren Rückzug, für zusätzliche Sicherheitskosten wegen Terrorgefahr, für Entwicklungshilfe auch in Nachbarländern wie Pakistan oder Usbekistan oder etwa die Kosten bei Produktivitätseinbußen aufgrund von Verletzungen oder Zinskosten für Kredite. Laut DIW gibt die Bundesregierung für das Jahr 2010 Kosten von 1,059 Milliarden Euro für den Einsatz an.
Deutschland ist seit 2001 an dem Einsatz in Afghanistan beteiligt. Das DIW legte nach eigenen Angaben die erste umfassende, aber immer noch vorläufige Schätzung zu den Gesamtkosten des Krieges in Afghanistan für Deutschland vor. Volkswirtschaftliche Auswirkungen des Konflikts oder ökologische und kulturelle Schäden bezog des DIW in seine Berechnungen nicht mit ein. Das Institut wählte eine Methode, die in der Vergangenheit auch von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz für den Einsatz der USA im Irak gewählt wurde.