Ärztemangel und schlechte Ausrüstung: In seinem Jahresbericht geht der Wehrbeauftragte Robbe mit der Bundeswehr hart ins Gericht.
Berlin. In ungewöhnlich scharfer Form hat der scheidende Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, Mängel und Defizite bei der Bundeswehr angeprangert. In den deutschen Streitkräften gebe es eine unübersichtliche Führungsstruktur, zu viel Bürokratie, Reibungsverluste und eine veraltete Planung für den Einsatz von Material und Personal, sagte Robbe in Berlin bei der Vorstellung seines Jahresberichts 2009. In vielen Bereichen sei die Bundeswehr noch nicht in der Einsatzrealität angekommen. In seinen Jahresbericht flossen rund 5700 Eingaben von Soldaten ein und die Erkenntnisse, die Robbe selbst bei Truppenbesuchen gewann
Vor allem im Sanitätsdienst habe sich ihm zufolge die Situation verschlechtert. Die Sanitätsführung gehe davon aus, dass derzeit rund 600 Ärzte fehlten. Robbe warf ihr und insbesondere dem verantwortlichen Inspekteur ein „klares Versagen“ vor. „Es gibt nicht wenige Experten in der Bundeswehr die davon sprechen, dass dieser Inspekteur die Sanität regelrecht vor die Wand gefahren habe“, sagte Robbe.
Die Soldaten und ihre Angehörigen müssten sich aber auch weiter darauf verlassen können, dass sie optimal versorgt würden, wenn im Einsatz etwas passiere, sagte Robbe. Im vergangenen Jahr seien 466 Soldaten wegen posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) behandelt worden. Damit habe sich die Anzahl der Erkrankten im Vergleich zu 2008 fast verdoppelt. Fast 90 Prozent der erkrankten Soldaten gehörten zur Internationalen Schutztruppe ISAF in Afghanistan.
Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan klagen nach wie vor aber auch über Mängel bei ihrer Ausrüstung. Sie rügen unter anderem, dass es zu wenig geschützte Fahrzeuge gebe, berichtet Robbe. „Die ohnehin angespannte Situation verschärft sich, sobald Fahrzeuge nach Unfällen oder Anschlägen ausfielen, weil für diese Fahrzeuge kein Ersatz verfügbar war“, heißt es in seinem Bericht. Neben einer zu geringen Anzahl von Fahrzeugen hätten die Soldaten auch darüber geklagt, dass bestimmte Fahrzeuge nicht für den Einsatz im Gefecht geeignet seien.
Zudem würden Frauen in der Bundeswehr laut Robbe nach wie vor über sexuelle Belästigungen und frauenfeindliche Einstellungen klagen. „Leider bleiben Vorfälle, die antiquierte und mit Vorurteilen belastete Anschauungen offenbaren, nach wie vor nicht aus“, sagte der SPD- Politiker. Im vergangenen Jahr leisteten durchschnittlich 16495 Frauen bei der Bundeswehr ihren Dienst. Robbe erhielt nach eigenen Angaben erneut auch Zuschriften, in denen es um die Diskriminierung von homosexuellen Soldaten ging. „Auch wenn nach nunmehr geltender Rechtslage jede Benachteiligung von homosexuellen Soldatinnen und Soldaten untersagt ist, kann eine faktische Benachteiligung nicht absolut ausgeschlossen werden“, so der Wehrbeauftragte.
Auch auf die entwürdigenden Rituale bei den Gebirgsjägern und in anderen Teilen der Bundeswehr, die in den vergangenen Monaten publik wurden, ging Robbe ein. Nach seiner Einschätzung handelt es sich dabei um Einzelfälle. Die bisherigen Untersuchungen hätten ergeben, dass die bekannten Fälle nicht „die Spitze des Eisbergs“ seien, sondern nur an wenigen Standorten stattgefunden hätten, sagte Robbe. Er regte aber eine Untersuchung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr an, um die Verbreitung und Art der Rituale möglichst genau festzustellen. Auf der Grundlage einer solchen eingehenden Prüfung könne dann entschieden werden, ob es grundsätzlichen Handlungsbedarf gebe.
Bei der Vorstellung des Berichts gab Robbe auch offiziell bekannt, dass er nach gut fünf Jahren im Amt nach „reiflicher Überlegung und entgegen etlicher Anfragen und Bitten von verschiedenen Seiten“ nicht wieder als Wehrbeauftragter kandidieren werde. Er wolle das Amt nicht durch „mögliche zwischenparteiliche Streitereien“ beschädigen, erklärte er.Robbes fünfjährige Amtszeit läuft bis Ende April. Nachfolger soll der FDP-Politiker Hellmut Königshaus werden. Die FDP hat der Koalitionsvereinbarung zufolge das Vorschlagsrecht für den Posten. Die Union signalisierte bereits Zustimmung zur Wahl des FDP-Politikers. Unter anderem der Bundeswehrverband und die Grünen hatten sich hingegen für eine zweite Amtszeit Robbes ausgesprochen.