Berlin. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, hat schwere strukturelle Probleme der Bundeswehr und gewaltige Defizite im Sanitätswesen angeprangert. Bei der Vorlage seines letzten Jahresberichts nach fünf Jahren Amtszeit sprach Robbe von Mängeln bei der Ausstattung, in der Ausbildung und bei der Personalstärke. Allein 600 Ärzte fehlten, sagte der SPD-Politiker. "Wenn sich da nichts tut, dann muss man sich die Frage stellen, ob hier die richtigen Leute die richtigen Aufgaben haben."
Dem für das Sanitätswesen verantwortlichen Inspekteur warf Robbe "klares Versagen" vor. Die Kündigung von 130 Sanitätsärzten, die Schließung oder Zusammenlegung von Krankenhausabteilungen, die zunehmende Belastung von Ärzten und Sanitätern seien Indizien dafür, dass die Sanitätsführung das Problem viel zu spät aufgegriffen habe, heißt es im Wehrbericht. "Fehlendes Geld darf kein Argument sein", sagte Robbe.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat Robbes Arbeit gelobt. Den von Robbe aufgezeigten Missständen werde nachgegangen. Guttenberg verwies auf die Strukturkommission seines Hauses, die im Frühjahr ihre Arbeit aufnehmen werde. Robbes Nachfolger soll der FDP-Politiker Hellmut Königshaus werden.
Robbe sagte, 2009 sei eines der einschneidendsten Jahre in der 55-jährigen Geschichte der Bundeswehr. Der Afghanistan-Einsatz sei gekennzeichnet durch eine sich permanent verschärfende Sicherheitslage, durch Opfer in den eigenen Reihen, aber auch unter den Zivilisten. Im vergangenen Jahr seien fünf Bundeswehrsoldaten getötet und 36 verletzt worden.
Etwa 420 Soldaten seien registriert worden, die an posttraumatischen Belastungsstörungen litten. Damit habe sich die Zahl der Erkrankten im Vergleich zu 2008 fast verdoppelt. "Die Bundeswehrführung ist mit Blick auf die Fürsorgepflicht gegenüber den Soldaten noch nicht in der Einsatzrealität angekommen", kritisierte Robbe.
Einige Soldaten, die in Afghanistan ein schwer geschütztes Fahrzeug wie den Dingo fahren müssen, seien darauf nicht richtig vorbereitet worden. Im Feldlager in Prizren (Kosovo) klagten Soldaten mehrere Jahre über die undichten Dächer ihrer Containerunterkunft. Die Integration von Frauen in die Truppe sei nicht überall gelungen. Es gebe Beispiele von sexueller Belästigung und von Fremdenfeindlichkeit.
Guttenberg sagte: "Wir werden jedem einzelnen Fall nachgehen, ihn entsprechend auswerten und dort, wo Defizite abzustellen sind, sollen sie abgestellt werden".
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Ulrich Kirsch erklärte: "Dieser Bericht beschreibt in aller Deutlichkeit eklatante, auch vom Deutschen Bundeswehr-Verband immer wieder aufgezeigte Defizite und Mängel im System Bundeswehr. Das Aufzeigen der Fähigkeitslücken in der Ausbildung und das Fehlen von geschützten Fahrzeugen müssen die politisch Verantwortlichen aufrütteln." Es werde deutlich, "dass die Ausstattung den Ansprüchen einer modernen Einsatzarmee noch nicht im vollen Umfang genügt".