Die Bundesregierung will offenbar die umstrittene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke am Bundesrat vorbei durchbringen.
Berlin. Nach dem Verlust der schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat will die Regierung die umstrittene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke an der Länderkammer vorbei durchbringen. „Bei der Verlängerung der Laufzeiten werden wir ein verfassungskonformes, zustimmungsfreies Gesetz haben“, kündigte Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) in einem Gespräch mit der „WAZ“-Mediengruppe an. Auch die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) sei seinerzeit so bei ihrem Atomkonsens vorgegangen. Grünen- Fraktionschef Jürgen Trittin warf Pofalla „juristische Winkelzüge“ vor, mit denen der Bundesrat umgangen werden solle.
Eine Verlängerung der Laufzeiten bringt Trittin zufolge mehr Belastungen für die Länderbehörden, sie sei im Bundesrat zustimmungspflichtig. „Statt juristisch zu tricksen, sollte die Bundesregierung endlich einsehen: Für mehr Atommüll und für mehr Risiko durch Uralt-Meiler gibt es weder in der Bevölkerung noch im Bundesrat eine Mehrheit“, sagte er am Sonnabend nach Angaben seiner Partei. Die Anti-Atom-Bewegung verzeichnet in der aktuellen Debatte wieder spürbar Zulauf. Ende April hatten rund 100.000 Atomkraft- Gegner mit einer 120 Kilometer langen Menschenkette zwischen den Meilern Brunsbüttel und Krümmel gegen die Energiepolitik der Bundesregierung demonstriert.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen, aber auch andere Unionspolitiker wie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (beide CDU) waren bislang davon ausgegangen, dass eine Verlängerung der Atommeiler-Laufzeiten vom Bundesrat mitbeschlossen werden muss. Die Opposition fordert vehement eine Beteiligung des Bundesrates.
Unterstützung erhielten SPD und Grüne zuletzt vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. „Der Fortbetrieb der zivilen Nutzung der Atomkraft hängt auch von der Entscheidung des Bundesrates ab“, heißt es in einem Aufsatz vom 21. April. Allerdings hat die schwarz-gelbe Koalition mit der Niederlage bei der NRW- Landtagswahl am Sonntag ihre Mehrheit im Bundesrat verloren.
Bis zum Herbst will die Bundesregierung ein Energiekonzept für den Zeitraum bis 2050 vorlegen. Es wird geprüft, ob einzelne Meiler bis zu 60 Jahre lang am Netz bleiben können. Die rot-grüne Regierung hatte im Jahr 2000 mit den Stromkonzernen einen Atomausstieg vereinbart, der bis 2022 wirksam werden würde.
Anfang Mai leitete der Energiekonzern RWE eine Laufzeitverlängerung für Deutschlands ältesten Atommeiler Biblis A ein, indem eine Reststrommenge vom stillgelegten Eon-Meiler Stade zugekauft wurde. Der RWE-Vorstandschef Jürgen Großmann sprach sich für ein langfristiges Festhalten an der Atomkraft aus. „Wir sollten Kernkraftwerke so lange betreiben, wie sie sicher sind“, sagte Großmann im SWR. Dabei müsse es um die technische Lebensdauer eines solchen Systems gehen und nicht um eine politisch festgelegte Jahreszahl. Politische Zahlen seien „völlig falsch“.