Tausende Menschen sollen sich vom AKW Brunsbüttel bis zum Reaktor Krümmel aneinanderreihen - die Strecke führt durch Hamburg.

Hamburg. Die Atomkraftgegner in Deutschland machen wieder mobil. An diesem Sonnabend (24. April) rufen sie zur größten Demonstration seit langem auf. Zehntausende Menschen sollen sich vom Atomkraftwerk Brunsbüttel im Westen Schleswig-Holsteins bis zum Reaktor Krümmel aneinanderreihen. Vor allem die Debatte um Laufzeiten für Atomkraftwerke bis zu 60 Jahren treibt die Aktivisten auf die Straße – zwei Tage vor dem Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl 1986.

Rund 120 Kilometer soll die Menschenkette lang werden, alle fünf Meter ein Demonstrant. Die Chancen stehen gut, denn die vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erwarteten 25.000 Teilnehmer könnten die Reihen schließen. Der SPD-Vorsitzende und ehemaligen Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) ist ebenso dabei wie sein Ressort-Amtsvorgänger Jürgen Trittin (Grüne). Die Grünen aus Hamburg und Schleswig-Holstein warten mit ihren Spitzen auf, die Nord-SPD ebenso, auch die Linken wollen dabei sein. Außerdem treten Sänger Jan Delay und die Band Microphone Mafia auf.

Für die Route haben sich die Initiatoren, ein Bündnis von Anti-Atom-Initiativen, Umweltverbänden, Kirchen, Parteien und Gewerkschaften, symbolträchtige Orte ausgesucht: Sie führt an der Elbe entlang durch Brokdorf, jenen Ort, der zum Sinnbild des Kampfes gegen die Atomkraft wurde. Bevor der Reaktor 1986 an den Start ging, demonstrierten Zigtausende und lieferten sich gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Polizei. Auch im Hamburger Stadtgebiet werden Tausende erwartet, die sich an der Menschenkette beteiligen. Dadurch wird es zu massiven Verkehrsbeeinträchtigungen kommen (siehe Sperrungen).

Stein des Anstoßes der Großaktion sind die Atomkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel (Geesthacht). Sie stehen nach einer Serie von Pannen seit Mitte 2007 fast ohne Unterbrechung still, und selbst Schleswig-Holsteins Regierungsparteien, CDU und FDP, sehen vor allem Krümmel kritisch. Das nährt bei Atomkraftgegnern die Hoffnung, die Pannenreaktoren könnten tatsächlich für immer stillgelegt werden. „Die letzten zweieinhalb Jahre haben bewiesen, dass die keiner braucht“, sagt Jochen Stay, einer der Organisatoren der Menschenkette.

Der Betreiberkonzern Vattenfall gibt zu den Protesten vor den Toren seiner Atomkraftwerke keinen Kommentar ab. Doch es geht bei den Protesten auch um den möglichen Ausstieg aus dem Atomausstieg. „Jetzt kann der Protest etwas bewirken“, sagt Stay. Am Sonnabend wollen Demonstranten auch das hessische Atomkraftwerk Biblis umzingeln und vor dem Atommüll-Zwischenlager in Ahaus in Nordrhein-Westfalen protestieren.

Der atompolitische Schwenk der Bundesregierung bringt nicht nur Atomkraftgegner, sondern auch die inzwischen „erwachsen“ gewordene Branche der erneuerbaren Energien auf die Palme, die jetzt die Bürgerbewegung zum Protest ermuntert. „Längere Laufzeiten für Kernkraftwerke blockieren den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland“, monierte der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE), Dietmar Schütz. Milliarden-Investitionen wären für die nächsten Jahre gefährdet, die der deutsche Mittelstand im Bereich der Erneuerbaren auf der Hannover-Messe gerade erst bekräftigt habe. Dabei will die Branche die Hälfte des Stroms 2020 schon allein liefern. Auch die Stadtwerke haben im Wettbewerbsstreit inzwischen massiv gegen die großen Energiekonzerne Front gemacht