Der neue Regierungschef Rajoy hat schwere Aufgaben vor sich. Das Volk baut auf seine Hilfe. Der 56-Jährige soll Spanien aus der Krise führen.

Madrid. Der künftige spanische Regierungschef Mariano Rajoy soll nach dem historischen Wahlsieg der konservativen Volkspartei (PP) sein Land aus der Krise führen. Spanien gehört zu den Problemländern der Euro-Zone. Der Staat muss für seine Anleihen derzeit Zinsaufschläge zahlen, die auf Dauer kaum finanzierbar sind.

Dabei gehört Spanien nicht zu den hoch verschuldeten Staaten. Die Staatsschulden sind mit 61 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP/Ende 2010) geringer als in Deutschland (83 Prozent) und anderen EU-Ländern. Das eigentliche Problem liegt in der hohen Verschuldung der spanischen Unternehmen und der privaten Haushalte.

Spanien hat sich bei der EU dazu verpflichtet, die staatliche Neuverschuldung von zuletzt 9,3 Prozent des BIP (2010) in diesem Jahr auf 6,0 Prozent zu senken. 2012 soll das Defizit auf 4,4 und 2013 unter die zulässige Höchstgrenze von 3,0 Prozent gedrückt werden.

Die spanische Wirtschaft stagniert und droht in eine Rezession zurückzufallen. Im dritten Quartal 2011 betrug das Wachstum 0,0 Prozent. Für das Gesamtjahr erwartet Madrid eine Wachstumsrate von 0,8 Prozent. Ein solch geringes Wachstum erlaubt kaum einen Abbau der Arbeitslosigkeit. Spanien hat mit 21,5 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in der EU.

+++ Spanien steht vor fast unlösbaren Aufgaben +++

+++ Mariano Rajoy gewinnt Krisen-Wahl in Spanien +++

+++ In der Krise wählt Spanien die Konservativen +++

Rajoys PP gewann bei der vorgezogenen Parlamentswahl nicht nur eine absolute Mehrheit, sondern erzielte auch das beste Ergebnis der Parteigeschichte. Nach dem vorläufigen Endergebnis erhielt sie 44,6 Prozent der Stimmen und 186 der insgesamt 350 Sitze, 32 mehr als 2008. Die Sozialisten (PSOE), die das Land seit mehr als sieben Jahren regiert hatten, fuhren das schlechteste Resultat seit der Wiedereinführung der Demokratie nach dem Ende der Franco-Diktatur (1939-1975) ein. Sie bekamen 28,7 Prozent der Stimmen und 110 Mandate, etwa ein Drittel weniger als bisher.

Nach dem Verzicht auf eine neuerliche Kandidatur Zapateros hatte die PSOE den früheren Innenminister Alfredo Pérez-Rubalcaba als Spitzenkandidaten ins Rennen geschickt. Der Wahlverlierer forderte Zapatero als amtierenden PSOE-Parteichef in der Wahlnacht auf, einen Sonderparteitag einzuberufen, der über die neue Führung der Sozialisten entscheiden soll.

Rajoy, der bei den Wahlen 2004 und 2008 gegen Zapatero verloren hatte, will Spanien ein drastisches Sparprogramm verordnen. Im Wahlkampf hatte er Einschnitte in allen Bereichen mit Ausnahme der Renten angekündigt. „Ich werde Spanien aus dieser Krise herausbringen“, hatte der Parteichef der Konservativen im Wahlkampf versprochen. Nach seinem Wahlsieg rief der die Spanier zur Einigkeit im Kampf gegen die Krise auf. „Niemand muss uns fürchten“, sagte Rajoy. „Unsere Feinde sind die Arbeitslosigkeit, das Budgetdefizit, die überhöhten Schulden und die wirtschaftliche Stagnation.“

Zapatero hatte sich vorhalten lassen müssen, nicht angemessen auf die Krise reagiert zu haben. Spanien hat die höchste Arbeitslosigkeit in der EU. Die Wirtschaft stagniert, und die Schuldenkrise brachte das Land unmittelbar vor der Wahl wirtschaftlich an den Rand des Abgrunds. Wegen der Krise hatte Zapatero die eigentlich im März 2012 fällige Wahl vorgezogen.

Starke Stimmengewinne erzielte die Vereinte Linke (IU), die elf Sitze errang, mehr als fünfmal so viele wie 2008. Erstmals seit über einem Jahrzehnt werden auch wieder baskische Separatisten im spanischen Parlament vertreten sein. Der neu geschaffene Zusammenschluss Amaiur gewann auf Anhieb sieben Sitze und stieg – gemessen an der Zahl der Mandate – zur stärksten politischen Kraft im Baskenland auf. Die Wahlbeteiligung war mit 71,7 Prozent deutlich geringer als bei der vorigen Wahl 2008. Insgesamt waren 35,8 Millionen Spanier am Sonntag zur Stimmabgabe aufgerufen.

Die Wahlen waren die ersten in der jüngeren spanischen Geschichte, in denen die Gefahr des ETA-Terrors keine Rolle spielte. Die baskische Untergrundorganisation war in letzter Zeit durch Festnahmen führender Mitglieder so sehr geschwächt worden, dass sie sich zu einer „definitiven“ Abkehr von der Strategie des Terrors gezwungen sah.

Zur Person:

Mariano Rajoy ist ein politischer Überlebenskünstler und vor allem ein erfahrener Krisenmanager. Vor gut drei Jahren war der 56-Jährige schon politisch totgesagt worden. Der Chef der konservativen Volkspartei (PP) hatte zum zweiten Mal die Wahlen zum spanischen Parlament gegen den Sozialisten José Luis Rodríguez Zapatero verloren. Sogar die mit der PP sympathisierende Presse forderte den Rücktritt Rajoys als Parteichef. Dieser biedere Politiker aus der nordwestspanischen Provinz Galicien werde niemals eine Wahl gegen den rhetorisch gewandten Zapatero gewinnen, hieß es damals.

Aber man hatte den bärtigen Galicier mächtig unterschätzt. Der „ewige Verlierer“ erwies sich als politischer Überlebenskünstler. Er ließ alle Kritik von sich abprallen und führte die PP nun zum höchsten Wahlsieg der Parteigeschichte. Rajoy erhielt von den spanischen Wählern das Mandat, das Land aus der Wirtschaftskrise zu führen.

Mit der Bekämpfung von Krisen kennt er sich aus. In der Regierung des früheren PP-Ministerpräsidenten José María Aznar (1996-2004) hatte Rajoy als Krisenmanager den Kampf gegen den Rinderwahnsinn und gegen die Umweltkatastrophe nach dem Untergang des Öltankers „Prestige“ organisiert.

Der 56-Jährige ist kein Ideologe. Er trat weder als konservativer Ultra noch als Liberaler in Erscheinung. Rajoy zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er selbst in komplizierten Situationen Ruhe und Gelassenheit ausstrahlt. „Wenn man seine Arbeit gut macht, stellen sich auch die Ergebnisse ein“, lautet seine Devise.

Rajoy will die – sich bedrohlich zuspitzende – Schuldenkrise mit einem drastischen Sparprogramm meistern. Er ließ aber offen, wo er genau den Rotstift ansetzen will. Im vorigen Jahr hatte er die PP im Parlament gegen die Sparbeschlüsse stimmen lassen, zu denen Zapatero sich auf Druck der EU-Partner durchgerungen hatte.

Seinen historischen Wahlerfolg verdankt Rajoy nicht nur der Krise, sondern wohl auch der Tatsache, dass er die PP auf eine gemäßigte Linie brachte. Er ging auf Distanz zu den konservativen Hardlinern um seinen politischen Mentor Aznar, der ihn 2003 per Fingerzeig zum PP-Parteichef gemacht hatte.

Rajoy war als junger Mann ein strebsamer Student gewesen. Während seines Jura-Studiums hielt er sich von den Studentenprotesten gegen die Franco-Diktatur (1939-1975) fern. Zur Politik fand er erst nach dem Ende des Regimes. Er schloss sich der Volksallianz (AP) an, zu der sich neben Konservativen auch Anhänger des Ex-Diktators zusammengeschlossen hatten und aus der später die PP hervorging.

Mit nur 31 Jahren wurde Rajoy Vizeregierungschef in seiner Heimatregion Galicien. Aznar holte ihn später nach Madrid und machte ihn zu einem Mann des PP-Parteiapparats. In der Aznar-Regierung diente Rajoy in einer Reihe von Ämtern: Er war Minister für öffentliche Verwaltung, für Erziehung, Inneres, Minister im Amt des Premiers, Regierungssprecher und Vizepremier. In dieser Zeit gab er nie Anlass zu nennenswerten Protesten. Allerdings sind von ihm auch keine größeren Projekte in Erinnerung.