Am Freitagmorgen überschritt der Risikoaufschlag für spanische Staatsanleihen zwischenzeitlich die psychologisch wichtige Marke von 5 Prozentpunkten.
Madrid/Frankfurt. Spaniens konservativer Oppositionsführer Mariano Rajoy hofft darauf, dass der erwartete Machtwechsel in Madrid die Finanzmärkte beruhigt. Rajoy, der die Parlamentswahl an diesem Sonntag allen Umfrage zufolge gewinnen dürfte, verlangte am Freitag in einem Rundfunkinterview, der neuen Regierung zumindest eine „minimale Verschnaufpause von etwas mehr als einer halben Stunde zu geben“. Falls er die Wahl gewinne, werde er eine klare Botschaft an die Finanzmärkte senden: „Spanien will den Euro erhalten, der Teil eines nicht umkehrbaren politischen Projekts ist.“
Die Hoffnung könnte sich allerdings als trügerisch erweisen. In den vergangenen Tagen hatte die Finanzmärkte Spanien kräftig unter Druck gesetzt, obwohl der Wahlsieg Rajoys praktisch festzustehen scheint. Am Donnerstag stiegen die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen auf eine Größenordnung von sieben Prozent und damit den höchsten Zinssatz seit 14 Jahren.
Am Freitagmorgen überschritt der Risikoaufschlag für spanische Staatsanleihen zwischenzeitlich die psychologisch wichtige Marke von 5 Prozentpunkten. Rajoy bezeichnete diese Entwicklung in einem Gespräch mit dem Rundfunksender Onda Cero in Madrid, als „äußerst negativ“ für die spanischen Interessen. Zugleich sprach er der sozialistischen Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero sein Vertrauen aus. Er sei zuversichtlich, dass die Regierung Zapateros „alles tun wird, was in ihrer Macht steht“, um die Schuldenkrise zu lösen.
Wenn der Preis steigt, sinkt die Rendite
Spanien muss 6,975 Prozent Zinsen für Staatsanleihen bieten, italienische Papiere liegen jetzt wieder über sieben Prozent. Dagegen kann Deutschland Geld bei den internationalen Investoren fast für lau leihen, so niedrig ist der Zins gesunken. Aber – wie kommen diese Zinsen zustande? Und wie kommt es, dass die Rendite einer Anleihe sinkt, wenn ihr Preis steigt?
Staaten leihen sich Geld auf den internationalen Finanzmärkten. Banken, Versicherungen, Hedgefonds, Pensionsfonds und andere Großanleger waren bisher nur allzu bereit, ihnen großzügig Kredit zu gewähren. Denn Staaten galten – von wenigen Ausnahmen abgesehen - vor der Eurokrise als sichere Schuldner.
Staatsanleihen sind festverzinsliche Wertpapiere, die an der Börse gehandelt werden können. Sie haben einen bestimmten Nennwert, zum Beispiel 1.000 Euro pro Stück, einen festen Coupon, beispielsweise 2,25 Prozent, und eine feste Laufzeit, häufig zehn Jahre. Es gibt aber auch ganz kurze Laufzeiten von einigen Monaten und ganz lange Laufzeiten von 30 Jahren oder noch mehr.
Die mit der Anleihe normalerweise verbundene Erwartung ist, dass der Nominalwert zum Ende der Laufzeit vollständig zurückgezahlt wird. Zwischendurch gibt es jährlich eine Zinszahlung, entsprechend dem nominalen Coupon und über die gesamte Laufzeit unverändert, wie Commerzbank-Experte Rainer Guntermann erläutert.
Die Höhe dieser nominalen Zinsen ist aber nicht die entscheidende Größe, mit der die Anleihe von den Anlegern bewertet wird. Auch in der Berichterstattung ist meist der Effektivzins oder auch die Rendite einer Anleihe gemeint, wenn vereinfachend von den Zinsen gesprochen wird, die für eine Anleihe verlangt werden.
Die Rendite ergibt sich aus dem Nominalzins und dem tatsächlichen Preis der Anleihe. Die Anleihe muss nicht zum Nominalwert verkauft werden. Je nach Nachfrage und Einschätzung der Bonität des ausgebenden Landes kann der Preis, sowohl bei der Auktion als auch später im freien Handel mit den Papieren auf dem sogenannten Sekundärmarkt, höher oder niedriger als 100 Prozent sein.
Unter der Annahme, dass die Anleihe zum Ende der Laufzeit zu 100 Prozent zurückgezahlt wird, sinkt die Rendite, wenn der Preis über 100 Prozent steigt. Umgekehrt steigt die Rendite, wenn der Anleger die Anleihe billiger als zum Nennwert kaufen kann. Allerdings ist damit dann im Allgemeinen ein höheres Ausfallrisiko verbunden, denn deshalb sinkt ja der Preis für die Anleihe zunächst einmal. In die Renditeberechnung geht außerdem auch noch die Restlaufzeit des Papiers ein.
Wenn beispielsweise Spanien einen Zins von 6,975 Prozent zahlen muss, ist die Rendite gemeint. Es steht nicht diese Zahl auf dem Coupon, sondern Spanien musste die neuen Anleihen unter dem Nominalwert verkaufen, weil sich sonst nicht genügend Interessenten gefunden hätten. Staatsanleihen des Problemstaats Griechenland werden derzeit mit nur noch etwa 40 Prozent des Nominalwertes gehandelt.
Gegenbeispiel Deutschland: Zehnjährige Bundesanleihen rentieren gegenwärtig mit weniger als 1,8 Prozent, obwohl auf dem Coupon 2,25 Prozent steht. Der Grund: Käufer müssen zurzeit mehr als 104 Prozent für das Papier zahlen. Sie tun das, weil der Wert als sicher gilt.
Der Nominalzins bei der Ausgabe von Staatsanleihen leitet sich übrigens meist vom Sekundärmarkt ab, wie Guntermann erläutert. Man sehe ja, mit welcher Rendite das Papier desselben oder eines vergleichbaren Landes mit gleicher Laufzeit gehandelt werde. Danach könne der Ausgebende dann den Nominalzins festlegen und mit dem tatsächlichen Verkaufspreis die Feinsteuerung vornehmen.
(dpa/abendblatt.de)