Die Wirtschaftslage des Landes dürfte bei den Wahlen in Spanien für einen Regierungswechsel sorgen. Konservative in Umfragen vorne.
Hamburg/Madrid. Diese Rettung kam im Lande des Weltmeisters gut an. Andres Iniesta, brillanter Fußballer in Reihen des FC Barcelona, steigt als Hauptaktionär bei seinem Jugendklub Albacete Balompie ein. Mit 1,2 Millionen Euro rettet der 27 Jahre alte Rasenstratege seinen Ex-Verein. Albacete hat Iniesta schon als Zwölfjährigen in das Internat von Barcelona geschickt. Der Verein befindet sich im tiefen Fall von der Ersten in die Dritte Liga und hat dabei den finanziellen Kompass verloren. Wie das gesamte Land. Spanien taumelt durch die Krise. Und politisch ist ebenfalls der Bankrott nahe.
Zumindest für die seit 2004 regierenden Sozialisten (PSOE) kündigt sich bei den Wahlen am Sonntag ein Debakel an. Ihr Kandidat, der ehemalige Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba, wird vermutlich keine Chance haben gegen die Volkspartei PP mit Mariano Rajoy. Die Konservativen stehen nach den Umfragen vor einem Erdrutschsieg.
Der bisherige Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero hat auf eine weitere Kandidatur verzichtet. Überfallartig hatte Zapatero den Konservativen José Maria Aznar nach dessen Lügenmärchen von einem Eta-Anschlag auf den Madrider Bahnhof im März 2004 abgelöst. Den Anschlag mit 191 Toten hatten Islamisten verübt. Jetzt rotiert das Krisen-Karussell Zapatero aus dem Amt. Die Bau- und Immobilienbranche liegt am Boden. Die Arbeitslosenquote ist mit 21,5 Prozent die höchste in der EU. Für die Staatsanleihen werden sieben Prozent fällig - die kritische Marke, die schon die Iren nach Hilfen aus Brüssel rufen ließ.
+++ Auch Spanien im Zinsdilemma +++
Die Spanier machen die Sozialisten für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Vor allem bei den vielen jungen, gut ausgebildeten Spaniern hat sich Frust aufgebaut. Sie sehen sich schon als europäische Arbeitsmigranten, um überhaupt eine Lebensperspektive zu haben. Zu Zehntausenden hatten sich junge Leute in Madrid versammelt, um ihrem Unmut über die Krise und das Establishment Luft zu machen. Sie nennen sich "indignados", die Empörten.
Der wahrscheinlich künftige Ministerpräsident Rajoy hofft: "Die Investoren und die Mehrheit der Spanier wollen einen politischen Wandel, und dieser Faktor wird neues Vertrauen schaffen." Der 56-Jährige aus Galicien verspricht eine rigorose Sparpolitik - aber eine Ausnahme: die Renten.
Die katholische Bischofskonferenz warnte davor, Parteien zu wählen, "die nicht für den Schutz des menschlichen Lebens in jedem Stadium eintreten". Die Bischöfe und Zapatero hatten sich wahre Glaubenskriege geliefert. Zapatero hatte die Homo-Ehe legalisiert und "Express-Scheidungen" eingeführt. Im vergangenen Jahr liberalisierten die Sozialisten die Abtreibungsregeln.
Der sozialistische Kandidat Rubalcaba kann sich rühmen, als Innenminister die baskische Terrororganisation Eta so unter Druck gesetzt zu haben, dass sie sich zu einem "definitiven" Gewaltverzicht bereit erklärte. Doch selbst das nützt ihm wohl nichts. Die 100 Meter lief der heute 60 Jahre alte Ex-Sprinter einst in 10,9 Sekunden. Auf den letzten Metern des Wahlkampfes sagte er: "Die Meinungsforscher können sich auch irren." Wegen der dramatischen Haushaltslage sieht der spanische Arbeitgeberverband (CEOE) das Land "am Rande des Abgrunds". "Wir halten noch durch, aber Spanien steht am Rande eines Cracks", sagte CEOE-Vizepräsident Arturo Fernández.
Und wie es mit den hoch verschuldeten spanischen Fußballklubs weitergeht, ist ebenfalls unsicher. Während im Rest Europas bereits über einen Schuldenschnitt für Krisenstaaten - einen "Haircut" - gesprochen wird, haben die sensiblen Fußballstars ein Gespür für die Krise entwickelt. So weigert sich offenbar der brasilianische Nationalspieler Neymar, vom FC Santos zu Real Madrid zu wechseln. Santos-Präsident Luiz Alvaro de Oliveira behauptet: "Trainer José Mourinho hat vom ihm verlangt, dass er sich die Haare schneidet, wenn er zu Real kommt." Auf seinen Irokesenschnitt wolle Neymar, 19, in keinem Fall verzichten. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass Reals Angebot nicht mehr ganz so hoch war - und dass Neymars Berater glauben, dass der Spitzensteuersatz in Spanien nach der Wahl deutlich steigen könnte.