Wahlsieger Mariano Rajoy muss drastisch sparen und zugleich die Wirtschaft ankurbeln. Lassen die Finanzmärkte ihm Zeit dafür?
Madrid. Grau in grau: Der wolkenverhangene Himmel über Spanien spiegelte am gestrigen Wahlsonntag die Stimmung im Land. Die Wirtschaft stagniert; die Menschen haben Angst um ihre Arbeitsplätze und die Zukunft; die Schuldenkrise hat sich so dramatisch zugespitzt, dass sie Spanien wirtschaftlich an den Rand des Abgrunds gebracht hat.
Die konservative Volkspartei (PP), nach Prognosen der klare Gewinner der vorgezogenen Parlamentswahl, steht vor einer fast unlösbaren Aufgabe. Der voraussichtliche neue Regierungschef Mariano Rajoy will einerseits drastische Sparmaßnahmen verhängen, um die Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Andererseits wird er die Wirtschaft ankurbeln müssen, damit Spanien von den 21,5 Prozent Arbeitslosenquote, der höchsten in der EU, herunterkommt.
Die neue Regierung in Madrid wird angesichts der zugespitzten Lage kaum die übliche Schonfrist von 100 Tagen bekommen. "Ich hoffe, die Märkte werden uns etwas mehr als eine halbe Stunde Zeit geben", sagte Rajoy vor der Wahl ironisch. Aber vielleicht wird der künftigen Regierung nicht einmal diese Zeit gewährt. Wenn die Finanzmärkte Spanien weiter unter Druck setzen, wird Madrid möglicherweise zum Handeln gezwungen, noch bevor die neue Regierung gebildet ist.
In den Tagen vor der Wahl waren die Zinsen, die Madrid für seine Anleihen zahlen muss, auf Rekordniveau gestiegen. Die Experten sind sich einig, dass das Land die jetzige Situation nicht allzu lange durchhalten wird, weil der Schuldendienst beim aktuellen Zinsniveau auf Dauer nicht finanzierbar ist.
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Europa schaut nach der Wahl gebannt auf Spanien. Das Land läuft - ebenso wie das hoch verschuldete Italien - Gefahr, zur Rettung seiner Staatsfinanzen internationale Hilfe anfordern zu müssen. Dabei unterscheidet sich die spanische Krise fundamental von der italienischen: In Spanien liegt der Kern des Problems nicht in den Staats-, sondern in den privaten Schulden. Hunderttausende Spanier hatten während des Baubooms Darlehen für Eigentumswohnungen aufgenommen, die sie nach dem Platzen der Immobilien-Blase nur schwer oder gar nicht zurückzahlen können. "Die Märkte ohrfeigen den Staat wegen der Schulden, aber in Wirklichkeit sind die großen Unternehmen und die Banken gemeint", analysiert der Wirtschaftsprofessor Juan Antonio Maroto.
Rajoy hatte im Wahlkampf zugesagt, dass er beim Abbau der Neuverschuldung die Verpflichtungen Spaniens bei der EU einhalten werde. Dazu wird er aber noch viel drastischer sparen müssen als der bisherige Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero. Rajoy gab die Devise aus: "Es wird überall gespart, nur nicht bei den Renten." Wo er genau Abstriche machen will, sagte er nicht.
Zapatero wird vorgeworfen, in der Krise mit seiner Wirtschaftspolitik versagt zu haben. Für Rajoy können sich die Spanier aber auch nicht richtig begeistern. Dessen Partei hat in mehreren Regionen, in denen sie regiert, alles andere als sparsam gewirtschaftet und hohe Schulden angehäuft. In der Region Valencia und auf Mallorca stehen PP-Politiker sogar im Verdacht, Geld in die eigene Tasche gewirtschaftet oder für die Partei abgezweigt zu haben.