Kurz vor der Parlamentswahl muss Spanien fast sieben Prozent Zinsen für frisches Geld zahlen. Die EZB kaufte erneut Staatsanleihen.
Frankfurt/Berlin. Die Lage spitzt sich zu: Kurz vor der Parlamentswahl in Madrid hat die Schuldenkrise auf Spanien übergegriffen . Investoren verlangten am Donnerstag bei einer Auktion spanischer Staatsanleihen eine Rekord-Prämie von 6,975 Prozent Zinsen, die höchste sei der Einführung des Euro. Auf dem Zweitmarkt kletterten italienische Papiere wieder über die kritische Marke von 7 Prozent Zinsen, die Portugal, Irland und Griechenland unter den Rettungsschirm gebracht hatte. Spanien wählt am Sonntag ein neues Parlament. Ein Regierungswechsel von den Sozialisten zu den Konservativen gilt den Umfragen zufolge als sicher.
+++ Täglich aktuell: Was die Märkte bewegt +++
+++ Merkel will Euro stabilisieren +++
Auch Frankreich muss höhere Zinsen zahlen. Für Zwei-Jahres-Anleihen kletterten sie auf 1,85 Prozent, nach 1,31 Prozent im Oktober. Fünfjährige Anleihen stiegen von 2,31 Prozent auf 2,82 Prozent.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin, wer glaube, die Europäische Zentralbank (EZB) könne das Problem der Euro-Schwäche lösen, der liege nicht richtig. Die Euro-Krise erfordere eine politische Lösung. Notwendig sind aus Sicht Merkels auch EU-Vertragsänderungen, mit denen stärkere Durchgriffsrechte auf die nationalen Budgets ermöglicht werden sollten. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) verlangte, die EZB solle keine Staatsanleihen kaufen.
Debatte um die EZB
Die EZB kaufte laut Händlern aber erneut Staatsanleihen zur Dämpfung der Zinsen und dürfte nach Einschätzung von Ökonomen bereit sein, dies im Notfall deutlich auszuweiten. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer sagte: „Wir glauben, dass die EZB massiv eingreifen würde, wenn die Währungsunion bedroht wäre. Wir glauben aber nicht, dass sie sich öffentlich dazu bekennen würde.“
„Wir glauben immer noch, dass die EZB eher zu einem kraftvolleren Eingreifen bereit wäre, als einen Zusammenbruch des Euroraums zu riskieren“, sagte auch Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Allerdings bedeute der Widerstand von Merkel und Bundesbankpräsident Jens Weidmann, dass die Hürde hierfür hoch liege. „Deshalb glauben wir, dass solche Interventionen wirklich erst als allerletzte Möglichkeit in Betracht gezogen werden.“
Wirtschaftsweise für Tilgungsfonds
Die Wirtschaftsweise Beatrice Weder di Mauro warnte davor, dass eine Pleite Italiens zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden könnte. Zwar sei Italien unter den entsprechenden Voraussetzungen in der Lage, seine Schulden zurückzuzahlen, sagte sie in Berlin. Wenn Rom aufgrund der Zweifel der Finanzmärkte aber über längere Zeit hohe Zinsen zahlen müsse, dann bedrohe dies die Solvenz des Landes.
Weder die Mauro verteidigte den Vorschlag des Sachverständigenrats, einen europäischen Tilgungsfonds einzurichten, um die Schuldenstaaten zu entlasten. Demnach müssten die EU-Staaten für alle Schulden, die über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eines Landes liegen, gemeinsam bürgen. Zugleich müsste es eine verbindliche Vereinbarung geben, diese Schulden zügig zurückzuführen.
Der Vorstandsvorsitzende der BayernLB, Gerd Häusler, warnte vor hoher Inflation, falls die EZB unbegrenzt Staatsanleihen kaufen sollte. Das wäre der schlechteste Weg zur Lösung der Schuldenkrise, sagte er in Berlin. „Ich glaube, dass die Flucht in Sachwerte uns schneller einholen kann, als wir heute glauben.“ Besser sei es, die Probleme der Schuldenstaaten vor Ort zu lösen. So könne Italien zum Beispiel eine Vermögensabgabe erheben, um seine Schulden zu senken und die Märkte zu beruhigen. Was Europa derzeit erlebe, sei längst keine Staatsschuldenkrise mehr, sondern eine „Krise der politischen Reformierbarkeit“.
Frankreich bringt wieder Banklizenz für Schirm ins Spiel
Frankreichs Finanzminister François Baroin bekräftigte die Idee seines Landes, dem Euro-Rettungsfonds EFSF eine Banklizenz und damit Zugang zur Refinanzierung über die EZB zu geben. Dies sei der beste Weg, eine Ansteckung zu verhindern und einen soliden Schutzwall zu schaffen. Diese Idee war von den europäischen Finanzministern bereits für „erledigt“ erklärt worden.
Der EZB-Rat kam am Donnerstag zu seiner monatlichen Sitzung ohne geldpolitische Beschlussfassung in Frankfurt zusammen, bei der die Staatsanleihen eine Rolle spielen dürften. Beschlüsse, die an den Märkten für Erleichterung sorgen würden, sind von diesem Treffen nach Einschätzung von Beobachtern nicht zu erwarten. (dapd/abendblatt.de)