Der Übergangsrat geht nicht auf die Forderung Amnesty Internationals ein, den Lieblingssohn Muammar Gaddafis an Den Haag auszuliefern.
Tripolis/Kairo/Berlin. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat einen Korb erhalten: Der nach wochenlanger Flucht festgenommene Gaddafi-Sohn Saif al-Islam wird von Libyen nicht ausgeliefert. Das erklärte der regierende Nationale Übergangsrat, wie der arabische Sender Al-Dschasira am Sonntag berichtete. Er müsse sich in Libyen vor Gericht verantworten. Das sei eine Forderung des Volkes.
Der 39-jährige Lieblingssohn des einstigen Machthabers Muammar al-Gaddafi war auch mit internationalem Haftbefehl gesucht worden. Er soll sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor dem Den Haager Tribunal verantworten. Im Falle eines Schuldspruchs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit könnte der Strafgerichtshof als Höchststrafe lebenslange Haft festlegen.
Saif al-Islam solle so lange in Gewahrsam in Sintan bleiben, bis ein Gerichtssystem in Libyen aufgebaut sei, erklärte der Chef des lokalen Militärrats, Mohammed al Chabasch, am Sonntag. Über Ort und Formalitäten eines Prozesses will der Den Haager Chefankläger Luis Moreno Ocampo in den kommenden Tagen mit der libyschen Übergangsregierung sprechen. Bei einem Verfahren in Libyen droht Saif al-Islam die Todesstrafe.
Al-Islam tarnte sich mit traditioneller Kleidung
Saif al-Islam ging den Truppen der Übergangsregierung am Sonnabend in traditioneller Tuareg-Kleidung getarnt, das Gesicht durch ein Tuch weitgehend verhüllt, in die Fänge. Nur die randlose Brille erinnerte an den Saif al-Islam, der einst das moderne, freundliche Libyen im Ausland verkörpern sollte.
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"Am Anfang war er völlig verängstigt“, erzählt Ahmed Ammar, einer der Männer, die ihn im Dunkel der Sahara-Nacht aufgespürt haben. "Er dachte wir würden ihn töten.“ So wie es mit Gaddafi senior nach dessen Ergreifung ziemlich genau einen Monat zuvor passiert war. "Aber wir haben freundlich mit ihm gesprochen, so dass er lockerer wurde“, fährt Ammar fort. Seit Wochen schon waren sie in der Wüste auf der Pirsch, dann kam der entscheidende Hinweis: Eine kleine Gruppe Gaddafi-Getreuer sei auf dem Weg nach Obari. Wer genau in den zwei Geländewagen unterwegs war, die sie schließlich erspähten, wussten sie aber nicht. Mit Warnschüssen hielten sie den Konvoi an.
"Wer sind Sie“, fragte der Kommandeur der Kämpfer den offensichtlich wichtigsten Mann im Auto. "Abdelsalam“, antwortete dieser. Ein häufiger Name, der auf Arabisch "Bote des Friedens“ heißt. Saif al-Islam bedeutet "Schwert des Islam“. Ammar sagte: "Ich weiß, wer du bist, ich kenne dich.“ Das Spiel war aus. Ein paar Kalaschnikows fanden die Kämpfer in den Geländewagen des Gaddafi-Konvois sowie 4000 Dollar in bar - "Peanuts“ für einen Mann, von dem viele glauben, dass er die Codes für ausländische Bankkonten mit den Milliarden kennt, die sein Vater dem libyschen Staat gestohlen hat. Wahrscheinlich war Saif al-Islam auf dem Weg über die Grenze nach Niger.
Doch der 39-jährige in London promovierte Gaddafi-Spross, der einst das Erbe seines autokratischen Vaters antreten und schließlich ganz Afrika beherrschen sollte, landete stattdessen in einer Antonow-Transportmaschine. Die Kämpfer brachten ihn in ihre Hochburg Sintan. Im Laderaum des Flugzeugs saß er die meiste Zeit schweigsam, ruhig, offensichtlich in Gedanken versunken. Ab und zu redete er auch ruhig mit seinen Bewachern, ließ sich sogar fotografieren. Auf die Frage einer Reuters-Journalistin an Bord, ob es ihm gutgehe, antwortet er knapp: "Ja“.
Mit Material von dpa, rtr und dapd