Arabische Liga will Syriens Ausschluss am Mittwoch bei Sondertreffen in Kraft setzen. Syrische Opposition hofft auf Hilfe der Türkei. EU verschärft Sanktionen.
Brüssel/Beirut/Damaskus/Ankara/London/ Rabat. Der jordanische König Abdullah hat den syrischen Präsidenten Baschar Assad zum Rücktritt aufgefordert. In einem Interview mit dem britischen Rundfunksender BBC sagte Abdullah, Assad sollte vor seinem Abgang einen politischen Dialog einleiten und sicherstellen, dass sein Nachfolger "die Fähigkeit hat, den Status quo zu ändern“. Weiter sagte der König: "Wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich zurücktreten.“ Die Europäische Union hat am Montag neue Sanktionen gegen Syrien verhängt, mit denen Assad dazu bewegt werden soll, das harte Vorgehen gegen die seit acht Monaten andauernde Protestbewegung zu stoppen. Die Arabische Liga hatte am Sonnabend entschieden , die Mitgliedschaft Syriens wegen der blutigen Niederschlagung der Proteste ab Mittwoch vorübergehend auszusetzen. Zuvor hatte das Assad-Regime massiv gegen Bedingungen einer Friedensinitiative der Liga verstoßen.
Die Suspendierung tritt am Mittwoch in Kraft. An diesem Tag treffen sich die Außenminister der Arabischen Liga in Marokkos Hauptstadt Rabat zu einer Sondersitzung. Das kündigte das marokkanische Außenministerium am Montag an. Die Beratung finde am Rande eines Treffens über die arabisch-türkische Zusammenarbeit statt.
Syrischer Außenminister greift Liga an
Für ihre Ausschluss-Entscheidung kritisierte der syrische Außenminister Walid al-Muallim den arabischen Staatenverbund am Montag scharf. Der Beschluss sei illegal und außerdem "schändlich und bösartig“, sagte Muallim auf einer Pressekonferenz in Damaskus und beschuldigte die Mitgliedsstaaten, sich gegen Syrien verschworen zu haben. Die Liga solle eine unterstützende Rolle spielen, "aber wenn die Araber Verschwörer sein wollen, ist das ihre Sache“, sagte Muallim. Die Liga solle einen Syrien-Sondergipfel einberufen.
Die syrische Führung setze außerdem darauf, dass Russen und Chinesen ein internationales Eingreifen in Syrien verhindern werden. Anfang Oktober war eine von der Bundesregierung und anderen europäischen Staaten formulierte Syrien-Resolution im Weltsicherheitsrat am Widerstand der Vetomächte Russland und China gescheitert. Russlands Außenminister Lawrow kritisierte den Ausschluss Syriens aus der Liga.
+++ Assad-Anhänger stürmen Botschaften in Damaskus +++
Al-Muallim entschuldigte sich in seiner Pressekonferenz für die Angriffe regimetreuer Syrer auf mehrere Botschaften und Konsulate am Wochenende. Betroffen waren Vertretungen von Katar, Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Türkei und Frankreich.
Syriens Opposition sucht Schutz der Türkei
Nachdem das syrische Regime bei den Arabern in Ungnade gefallen ist, macht sich die Opposition jetzt für eine Schutzzone im Grenzgebiet zur Türkei stark. Die arabische Tageszeitung "Al-Sharq al-Awsat“ meldete am Montag unter Berufung auf einen Oppositionellen, bei einem Treffen zwischen dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu und dem syrischen Nationalrat am Sonntag sei schon die Frage diskutiert worden, wie groß diese Pufferzone sein könnte, die an die Türkei angrenzen soll. Die Opposition habe vorgeschlagen, das Gebiet solle 30 Kilometer breit sein, die Türken hätten von einem 5 Kilometer breiten Streifen gesprochen.
Ein türkischer Regierungsvertreter sagte der Zeitung, die Einrichtung einer sicheren Zone auf syrischem Gebiet sei möglich. Allerdings sei dafür nicht nur ein Mandat der Arabischen Liga notwendig, sondern auch ein internationales Mandat. Vor allem Moskau will bislang verhindern, dass sich das libysche Szenario in Syrien wiederholt. In Libyen hatte der Niedergang des Regimes mit einer von den Rebellen kontrollierten Zone rund um Bengasi begonnen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow sagte am Montag nach Angaben der Nachrichtenagentur Interfax, Nato-Staaten unterstützten klammheimlich den militanten Flügel der syrischen Protestbewegung. Über die Türkei, den Irak und andere Staaten würden Waffen an Aufständische geliefert.
Ein ähnliches Szenarium wie einst in Libyen hält der in Istanbul ansässige syrische Oppositionelle Fawaz Zaky dagegen für wünschenswert. "Wir haben Hinweise, dass es ganze Brigaden der Armee gibt, die desertieren wollen, sie tun dies bisher nur deshalb nicht, weil sie Angst vor der Luftwaffe haben“, sagte er am Montag. Falls die regimetreuen Einheiten von der Nato daran gehindert würden, Soldaten, die sich mitsamt ihrer Panzer und Artilleriegeschütze in eine Schutzzone zurückziehen, aus der Luft zu bombardieren, sei mit einer massenhaften Fahnenflucht zu rechnen.
EU verschärft Sanktionen gegen Syrien
Die Europäische Union weitete unterdessen ihre Sanktionen gegen das syrische Regime aus. "Das ist ein klares Zeichen des Beistandes gegenüber der syrischen Opposition“, sagte Außenminister Guido Westerwelle. Die Außenminister der 27 EU-Staaten setzten nach Angaben von Diplomaten, 18 zusätzliche Namen von Assad-Unterstützern auf eine schwarze Liste. Vertraute Assads bekommen Einreiseverbot in die EU. Zudem können ihre Vermögenswerte eingefroren werden. Bisher galten diese Maßnahmen bereits für 56 Personen. Die Außenminister beschlossen außerdem, die Auszahlung von Darlehen der Europäischen Investitionsbank sowie Verträge über technische Unterstützung von Projekten in Syrien auszusetzen.
Syriens Außenminister sagte, die Europäer hätten bezahlt für den Einsatz in Libyen. Deshalb setzten sie im Falle Syriens auf Sanktionen; diese könnten die Regierung aber nicht zu Fall bringen.
Die sogenannten Revolutionskomitees meldeten, am Montag seien landesweit zehn Menschen von den Sicherheitskräften getötet worden. Seit Beginn der Anti-Assad-Proteste im März wurden nach Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 3500 Menschen getötet.
Syrien boykottiert Arabische Spiele
Auch auf ein sportliches Großereignis hat der Syrien-Konflikt Auswirkungen: Das Land sagte seine Teilnahme an den Arabischen Spielen in Katar aus politischen Gründen ab. Die syrischen Athleten wollten damit ihren Protest gegen den vorläufigen Ausschluss Syriens aus der Arabischen Liga ausdrücken, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Die Entscheidung sei vom Syrischen Olympischen Komitee und der Allgemeinen Sportvereinigung getroffen worden, hieß es. Syrien steht wegen der brutalen Verfolgung der Opposition international in der Kritik.
Die Arabischen Spiele beginnen am 9. Dezember in dem Golfemirat Katar. Das Herrscherhaus von Katar hatte eine entscheidende Rolle bei den Beratungen der Liga gespielt, die am vergangenen Samstag zum vorläufigen Ausschluss Syriens aus der Organisation geführt hatten. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad wirft Katar zudem vor, es verbreite über seinen TV-Sender Al-Dschasira Falschmeldungen über die Lage in Syrien.
Mit Material von dpa, rtr dapd und kna