Wieder Tote bei Protesten nach Freitagsgebeten in Syrien. Human Rights Watch erhebt schwere Vorwürfe gegen Regierung von Präsident Assad.
Beirut. Syrische Truppen haben bei Protesten nach den Freitagsgebeten laut Aktivisten das Feuer auf regierungsfeindliche Demonstranten eröffnet und mindestens fünf Menschen getötet. Die Opfer seien in Homs und mehreren anderen Gegenden zu beklagen gewesen, berichteten die zwei wichtigsten Aktivistengruppen des Landes. Unterdessen verdächtigte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) die Regierung von Präsident Baschar Assad der Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Vorgehen der Regierung gegen die Opposition hat nach UN-Schätzungen bislang rund 3.500 Menschen das Leben gekostet.
Das in Großbritannien ansässige Syrische Observatorium für Menschenrechte und die Örtlichen Koordinationskomitees berichteten, am Freitag sei es in den Vororten der Hauptstadt Damaskus, Daraa im Süden sowie Idlib nahe der Grenze zur Türkei zu Protesten gekommen.
Der Aufstand gegen das Assad-Regime dauert seit acht Monaten an. Massenproteste nach den Freitagsgebeten und das anschließende blutige Vorgehen von Sicherheitskräften gegen Demonstranten sind inzwischen zum allwöchentlichen Ereignis geworden. Allerdings ist die Gewalt in den vergangenen Wochen weiter eskaliert, nachdem es Anzeichen dafür gab, dass einige Demonstranten zu den Waffen greifen, um sich zu beschützen. Es gibt auch Berichte über schwere Gefechte zwischen Soldaten und Deserteuren.
HRW fordert Arabische Liga zum Handeln auf
Nach Angaben von Human Rights Watch ist es beim Vorgehen syrischer Truppen gegen Zivilpersonen in der Unruheprovinz Homs möglicherweise zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit gekommen. Die Organisation rief die Arabische Liga auf, Syriens Mitgliedschaft vorübergehend auszusetzen. Wegen des Blutvergießens, das trotz des von ihr ausgehandelten Friedensplans anhält, hat die Arabische Liga für den (morgigen) Samstag eine Sondersitzung einberufen.
Von Mitte April bis Ende August seien in Homs mindestens 587 Zivilpersonen getötet worden, hieß es in dem am Freitag veröffentlichten, 63-seitigen Bericht. So viele Opfer habe es in keiner anderen syrischen Provinz gegeben. Der Bericht zitiert auch ehemalige Häftlinge, die von Folterungen berichten. Unter anderem hätten Sicherheitskräfte glühende Metallstäbe und Elektroschocks verwendet. Bei groß angelegten Militäroperationen seien außerdem schwere Maschinengewehre, darunter auch Fliegerabwehrkanonen eingesetzt worden, hieß es. Homs, das Zentrum der Proteste gegen Präsident Assad, sei „ein Mikrokosmos der Brutalität des syrischen Regimes“, erklärte Sarah Leah Whitson, Nahostdirektorin der Menschenrechtsorganisation, am Freitag.
Der Bericht von Human Rights Watch gesteht auch ein, dass Demonstranten und Deserteure der syrischen Streitkräfte zu den Waffen gegriffen haben. „Gewalt durch Demonstranten und Deserteure muss weiter untersucht werden“, heißt es in dem Bericht. Allerdings rechtfertige sie nicht den unverhältnismäßigen und systematischen Gebrauch tödlicher Gewalt durch das Regime.
Nach dem offensichtlichen Scheitern des Friedensplans der Arabischen Liga sieht Human Rights Watch diese in der Pflicht. „Die Arabische Liga muss Präsident Assad mitteilen, dass eine Missachtung ihres Übereinkommens Konsequenzen hat und dass es jetzt ein Vorgehen des Sicherheitsrates zum Ende des Blutvergießens unterstützt“, sagte HRW-Vertreterin Whitson.