Deutschland will die Uno-Vollversammlung mit einem eingereichten Resolutionsentwurf zur Rüge des syrischen Blutvergießens bewegen.
New York/Beirut. Das syrische Regime muss sich immer größerem internationalem Druck erwehren. Mehrere Resolutionen waren zuletzt im UN-Sicherheitsrat gescheitert . Nun aber könnte die Vollversammlung der Vereinten Nationen das brutale Vorgehen des syrischen Machtinhabers Assad bei der Niederschlagung der Proteste in seinem Land verurteilen. Dies geht auf eine Initiative des deutschen UN-Botschafters Peter Wittig zurück. Er brachte am Montag (Ortszeit) einen entsprechenden Resolutionsentwurf in den Menschenrechtssausschuss der Kammer ein. Dieser soll dazu führen, dass die syrische Regierung offiziell gerügt wird.
Über das Papier könnte noch am Dienstag im Ausschuss abgestimmt werden, im Dezember dann in der Vollversammlung selbst. Eine Mehrheit im Parlament der 193 Nationen gilt als wahrscheinlich, weil auch viele arabische Staaten zu den mehr als 60 Unterstützern gehören. Zudem hat in der Vollversammlung jedes Land, unabhängig von der Größe, eine Stimme. Ein Vetorecht wie im Sicherheitsrat gibt es nicht. Dieses mächtigste UN-Gremium kann zwar als einziges Strafen beschließen, Syriens Waffenlieferanten Russland und China hatten das aber zweimal verhindert.
Bei den monatelangen Einsätzen des Militärs gegen Demonstranten und Oppositionelle in Syrien sind nach UN-Angaben mehr als 3500 Menschen getötet worden. „Die Vollversammlung der Vereinten Nationen darf angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen in Syrien nicht untätig sein“, sagte Wittig. Die Weltorganisation müsse „ein starkes politisches Signal an Syrien senden, dass die fortdauernde Gewalt und die Menschenrechtsverletzungen zu einem Ende kommen muss“, sagte er im Namen der gut 60 Mitinitiatoren.
Kern des Resolutionsentwurfs ist eine Verurteilung der syrischen Regierung wegen schwerer Menschenrechtsverstöße. Das Papier fordert das Regime auf, die Gewalt gegen das eigene Volk sofort zu beenden und einen Aktionsplan der Arabischen Liga für Reformen umgehend umzusetzen. Zudem sollen unabhängige Beobachter Zugang erhalten. Wittig sprach von einer „überregionalen Forderung vieler Staaten an die Regierung in Damaskus, dass ein weiteres Töten nicht akzeptiert werden kann“.
Syriens Botschafter Baschar Dschaafari nannte den deutschen Vorstoß „eine provokante Aktion“, der es nicht wert sei, dass man darauf zu reagiere. Er warf einer Reihe westlicher Länder seinerseits schwere Menschenrechtsverstöße vor. „Ist es wirklich im Sinne der Menschenrechte, wie Deutsche das Roma-Volk behandelt und sie in das Kosovo abschiebt?“
Die Verurteilung hätte vor allem einen appellativen Charakter, weil die Vollversammlung kein Drohpotenzial hat. Eine deutliche Verurteilung würde allerdings die politische Isolation des Regimes in Damaskus verstärken.
Assad-Gegner beschießen Gebäude der Baath-Partei
In der syrischen Hauptstadt Damaskus ist erstmals ein Gebäude der regierenden Baath-Partei nach Angaben einer Oppositionsgruppe von mehreren raketenbetriebenen Granaten getroffen worden. Das berichtete das örtliche Koordinationskomitee am Sonntag. Demnach waren im Stadtteil Masraa mehrere Explosionen zu hören. Inmitten eines strengen Sicherheitsaufgebots sei die Feuerwehr in die Gegend entsandt worden, hieß es. Präsident Baschar Assad ließ derweil ein Ultimatum der Arabischen Liga verstreichen. US-Außenministerin Hillary Clinton warnte vor einem Bürgerkrieg in Syrien .
Bei Razzien der syrischen Truppen sind nach Angaben von Menschenrechtsgruppen am Wochenende mindestens 15 Menschen getötet worden. Die Sicherheitskräfte hätten am Sonnabend auf der Suche nach Oppositionellen die Ortschaft Schesar in der Provinz Hama gestürmt und seien in die Region Dschabal al Sawija an der Grenze zur Türkei eingerückt, hieß es in übereinstimmenden Berichten der in London ansässigen Menschenrechtsorganisation Syrian Observatory for Human Rights und der Örtlichen Koordinationskomitees LCC.
In Dschabal al Sawija seien zudem die Strom- und Telefonverbindungen gekappt worden. In der Region sind seit Monaten abtrünnige Einheiten der Streitkräfte aktiv. In Kusair in der Nähe der Grenze zum Libanon seien bei Gefechten mit Regierungstruppen zwei abtrünnige Soldaten getötet worden, berichtete das Syrian Observatory for Human Rights.
Ungeachtet aller internationaler Kritik hält Präsident Assad am militärischen Durchgreifen gegen Regierungkritiker fest. Er empfinde "Schmerz und Kummer“ angesichts des Blutvergießens, die Lösung sei aber die Zerschlagung der dafür weitgehend verantwortlichen Militanten, sagte er in einem am Sonntag veröffentlichten Interview der britischen "Sunday Times“. Rund 800 Sicherheitskräfte seien in dem seit acht Monaten anhaltenden Aufstand bislang getötet worden, erklärte Assad. Die Niederschlagung der Proteste hat nach UN-Angaben seit Mitte März rund 3.500 Menschen das Leben gekostet.
Syrien lässt Ultimatum verstreichen
Bereits vor der jüngsten Eskalation hatte US-Außenministerin Hillary Clinton vor einem Bürgerkrieg in Syrien gewarnt. Der TV-Sender NBC zitierte Clinton am Freitag (Ortszeit) mit den Worten, Assad habe mit seinem Vorgehen gegen die Opposition "das Volk provoziert, gegen das Regime Waffen zu ergreifen“. "Es könnte einen Bürgerkrieg mit einer sehr entschlossenen und gut bewaffneten und letztlich gut finanzierten Opposition geben.“ Diese Opposition könnte von Überläufern aus der Armee „beeinflusst, wenn nicht gar angeführt“ werden.
Die syrische Regierung sollte sich bis zum späten Sonnabendabend entscheiden, ob sie Beobachter der Arabischen Liga ins Land lässt. Nachdem es diese Frist verstreichen ließ, drohen dem Regime nun Sanktionen seitens der früheren arabischen Partner. Die syrische Regierung forderte zuletzt in einem Brief an den Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, Änderungen an dem Protokoll der Liga, das die Einzelheiten dieser Beobachtermission regeln soll. Ein arabischer Diplomat sagte der dpa im Libanon, dass die Organisation dies zurückgewiesen habe.
+++ Assad-Anhänger stürmen Botschaften in Damaskus +++
Seitdem sich abtrünnige Einheiten der Streitkräfte der Opposition angeschlossen haben und Stellungen der Regierungstruppen angreifen, hat sich die Gewalt in Syrien verschärft. Die Innenstadt von Damaskus wurde am Sonntagmorgen von zwei Explosionen erschüttert. Sollten sich Berichte der Organisation LCC bestätigen, dass es sich um einen Raketenangriff auf ein Gebäude der regierenden Baath-Partei handelte, wäre dies eine weitere Eskalationsstufe.
London erwartet syrische Opposition
Unterdessen stieg der internationale Druck auf Assad weiter. Am Freitag hatte Syrien einer Beobachtermission der Arabischen Liga grundsätzlich zugestimmt. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Mark Toner, erklärte jedoch, Washington habe keine Hinweise darauf, dass die syrische Regierung den Vorschlag der Arabischen Liga tatsächlich akzeptiere. Aus dem britischen Außenministerium verlautete, Außenminister William Hague wolle sich am (morgigen) Montag mit Vertretern der syrischen Opposition in London treffen.
Mit Material von dpa und dapd