Gaddafis Lieblingssohn ist weiter flüchtig, doch der IStGH bleibt über Mittler im Bilde. Chefankläger stellt Saif al-Islam fairen Prozess in Aussicht.
Den Haag. Ein möglicher Prozess gegen Saif al-Islam rückt offenbar näher. Wie der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag am Freitag mitteilte, besteht über Mittelsmänner Kontakt zum Lieblingssohn des getöteten libyschen Ex-Diktators Muammar al-Gaddafi. Das Gericht dringt nun darauf, dass sich der per internationalem Haftbefehl gesuchte 39-Jährige stellt.
"Wir haben über Vermittler informellen Kontakt zu ihm“, erklärte der Strafgerichtshof am Freitag. Wo sich Saif al-Islam aufhält, ließ er offen. Das Gericht betonte jedoch, dass es große Fortschritte gebe, ihn und den früheren Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi festzunehmen. Saif al-Islam werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Wo er sich aufhält, ist unklar.
Saif al-Islam hatte kürzlich erklärt, er sei bereit, sich dem Strafgerichtshof zu stellen und zu diesem Zweck ein Flugzeug gefordert. Aus Kreisen der libyschen Übergangsregierung war zudem am Donnerstag verlautet, Saif al-Islam fürchte um sein Leben und habe Sicherheiten verlangt.
Laut bislang unbestätigten Medienberichten soll Al-Islam dem Nationalen Übergangsrat in Libyen aus seinem Versteck heraus Bereitschaft signalisiert haben, sich zu ergeben, wenn seine Überstellung nach Den Haag garantiert werde. Al-Islams Vater Muammar al-Gaddafi war bei seiner Festnahme unter bislang nicht geklärten Umständen erschossen worden.
Chefankläger verspricht fairen Prozess
Falls Saif al-Islam nach Den Haag reist, hat der IStGH-Chefankläger dem flüchtigen Gaddafi-Sohn einen fairen Prozess in Aussicht gestellt. Sollte sich der 39-Jährige freiwillig stellen wollen, werde der Gerichtshof dabei Hilfestellung leisten, ließ Staatsanwalt Luis Moreno-Ocampo am Freitag mitteilen.
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Moreno-Ocampo sagte, es gebe auch Hinweise darauf, dass eine Gruppe Söldner bereit sei, Saif al-Islam in ein afrikanisches Land zu bringen, das ihn nicht ausliefern würde. Die Anklage prüfe die Möglichkeit, jedes Flugzeug im Luftraum eines Staates, das die Statuten des Strafgerichtshofes unterzeichnet habe, abzufangen, um den Haftbefehl zu vollstrecken.
Nach unbestätigten Medienberichten soll sich Saif al-Islam im westafrikanischen Land Niger aufhalten und möglicherweise versuchen, das benachbarte Mali zu erreichen. "Der IStGH sucht nach Möglichkeiten, Flugzeuge in bestimmten Ländern bereit zu halten, wo eine Festnahme erfolgen kann“, zitierte die niederländische Nachrichtenagentur ANP den Chefankläger.
Bei Verfahren in Libyen droht Todesstrafe
IStGH-Sprecher Fadi El Abdallah erklärte, es sei üblich, dass der Gerichtshof gesuchten mutmaßlichen Tätern helfe, die sich stellen wollten. Moreno-Ocampo sagte dem Sender CNN, er glaube, ausreichend Beweise für schwere Verbrechen gegen Saif al-Islam zusammengetragen zu haben. "Wir glauben, dass wir einen starken Fall haben“, betonte er. "Wir glauben, er sollte verurteilt werden.“
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Moreno-Ocampo wirft Saif al-Islam Morde an Hunderten Zivilisten, Folterungen, militärische Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten und gezielte Massenvergewaltigungen. Wegen dieser mutmaßlichen Verbrechen hatte das Tribunal Ende Juni internationale Haftbefehle gegen den damaligen Machthaber Gaddafi sowie gegen Saif al-Islam und den inzwischen ebenfalls flüchtigen Ex-Geheimdienstchef Abdullah al-Senussi ausgestellt.
Im Falle eines Schuldspruchs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit könnte der Strafgerichtshof als Höchststrafe lebenslängliche Haft festlegen. Bei einem Verfahren in Libyen könnte die Todesstrafe drohen.
Saif al-Islam galt als Kronprinz Gaddafis
Saif al-Islam ist der zweitgeborene und zugleich letzte der sieben Söhne Gaddafis, dessen Verbleib unklar ist . Zwei Söhne flohen nach Algerien, einer ist in Niger. Zwei Söhne starben während der Kämpfe zwischen Anhängern Gaddafis und Soldaten der Übergangsregierung. Motassim Gaddafi wurde vergangene Woche zusammen mit seinem Vater in der Nähe von dessen Geburtsstadt Sirte getötet.
Saif al-Islam al-Gaddafi war derjenige von Gaddafis Söhnen mit den größten politischen Ambitionen. Lange galt er als Kronprinz des Jahrzehnte herrschenden Machthabers, ihm wurden Reformbemühungen zugetraut. Doch seine blutrünstigen Äußerungen während des Aufstandes machten diesen Eindruck zunichte.
Mit Material von dpa und rtr