Die Beisetzung des gestürzten Diktators wird weiterhin durch Unklarheiten über sein Ableben verzögert. Familie fordert seinen Leichnam.
Misrata. Rätselraten um das Ableben von Muammar al Gaddafi : Zwei Tage nach dem Tod des gestürzten libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi verzögern Unklarheiten über die Umstände seines Ablebens seine Beisetzung. Ein Sprecher von UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay verlangte eine Untersuchung. Der libysche Nationale Übergangsrat entsandte Finanzminister Ali Tarhuni nach Misrata, damit dieser Bericht erstatte. Außerdem würden Repräsentanten des Internationalen Strafgerichtshofs in Libyen erwartet, teilte der Übergangsrat mit.
Ursprünglich war die Beisetzung Gaddafis im Einklang mit islamischen Sitten auf Freitag gelegt worden. Doch die Bestattung werde bis zum Abschluss der Untersuchungen zu den Umständen von Gaddafis Tod verschoben, teilte der Übergangsrat in Tripolis mit. Die Leiche sei noch in Misrata, wohin sie am Donnerstag nach der Eroberung von Sirte gebracht wurde.
Dort werden die sterblichen Überreste Gaddafis in einem Kühlraum eines Einkaufszentrums aufbewahrt, wie ein AP-Korrespondent vor Ort feststellen konnte. Der Ex-Herrscher lag auf einer blutdurchtränkten Matratze in einem Kühlraum, in den normalerweise Restaurants ihre Vorräte aufbewahren. Er war mit einer beigen Hose bekleidet, der Oberkörper war entblößt. An der linken Seite seines Kopfes war ein Einschussloch zu sehen, ebenso mitten in der Brust. An Gaddafis Armen und seinem Kopf klebte getrocknetes Blut.
Umstände von Gaddafis Tod weiter unklar
Informationsminister Mahmud Schammam erklärte, nach ersten Erkenntnissen der Gerichtsmediziner starb Gaddafi im Krankenwagen auf dem Weg zu einem Feldlazarett an den Folgen eines Kopfschusses. Anscheinend habe in den vorherigen Kämpfen ein Querschläger Gaddafi getroffen.
Zwei Handyvideos zeigten, dass Gaddafi bei seiner Festnahme am Donnerstag zwar verletzt, aber noch am Leben war. Ein blutiger Gaddafi wird darin von Kämpfern hin und her geschubst. Spätere Aufnahmen zeigen, wie er leblos über den Bürgersteig gerollt wird.
Die NATO räumte am Freitag eine Beteiligung an der Ergreifung Gaddafis ein. Das Bündnis habe einen Luftangriff auf die Fahrzeugkolonne Gaddafis geflogen, als diese aus seiner von den Rebellen belagerten Heimatstadt Sirte fliehen wollte, teilte die Allianz mit. Erst später sei aus „offen zugänglichen Berichten und nachrichtendienstlichen Informationen von Verbündeten“ hervorgegangen, dass Gaddafi in einem der Fahrzeuge war. Der Angriff diente nach Angaben der NATO allein dem Schutz der Zivilbevölkerung gemäß UN-Mandat. Gezielte Angriffe auf Einzelpersonen fänden grundsätzlich nicht statt.
US-Stellen teilten mit, die Kolonne Gaddafis sei neben dem französischen Kampfflugzeug auch von einer US-Drohne angegriffen worden. Dabei seien wohl zwei Fahrzeuge zerstört worden.
NATO entscheidet über Einsatz
Nach dem Tod Gaddafis wollte die NATO am Freitag über ein Ende der Luftangriffe in Libyen beraten. Der NATO-Oberkommandierende US-Admiral James Stavridis kündigte bereits vor Beginn der Sitzung auf seiner Facebook-Seite an, er werde die Beendigung der Mission empfehlen. Es sei „ein guter Tag für die NATO. Ein großartiger Tag für das libysche Volk“, teilte er mit. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte, eine Entscheidung werde gemeinsam mit den UN und dem libyschen Nationalen Übergangsrat gefällt. Aus Diplomatenkreisen verlautete, am Freitag werde eine Entscheidung fallen.
Der Übergangsrat kündigte an, der Vorsitzende des Rates, Mustafa Abdul Dschalil, werde am Samstag in der Stadt Bengasi, wo Mitte Februar der Aufstand gegen Gaddafi begann, formell die Befreiung Libyens bekannt geben. Der Übergangsrat hatte schon zuvor erklärt, er werde innerhalb eines Monats nach der Befreiung eine Übergangsregierung bilden und dann innerhalb von acht Monaten Wahlen abhalten. Der als Regierungschef amtierende Politiker Mahmud Dschibril kündigte an, er werde nicht an der Übergangsregierung beteiligt sein.