Banken werden rekapitalisiert: Alle relevanten Institute müssen Kernkapitalquote auf neun Prozent anheben. Bedarf von 106 Milliarden Euro.
Brüssel/Berlin. Europas Plan gegen die Schulden- und Bankenkrise nimmt Gestalt an. Die Europäische Union verordnet den Großbanken strikte Risikovorsorge für einen teilweisen Schuldenerlass Griechenlands. Der Euro-Rettungsfonds EFSF wird mit großer Sicherheit stärker als eine Billion Euro. Streit gab es am Mittwochabend am Rande des Krisengipfels in Brüssel zwischen den 17 Euro-Staaten und den Spitzenvertretern von Banken und Versicherern. Nach Einschätzung von Diplomaten waren Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel bereit, notfalls einzugreifen.
Damit rückt ein Rettungspaket für das Pleite bedrohte Griechenland näher. Die Euro-Staaten forderten nach Angaben aus den Delegationen von den Banken und Versicherern, auf mindestens die Hälfte ihrer Forderungen zu verzichten. Diese lehnten das strikt ab. Möglicherweise könnte eine Einigung nahe an 50 Prozent liegen, hieß es.
Ohne einen freiwilligen Verzicht der Gläubiger könnte das gesamte Krisenmanagement in Gefahr geraten, zumal das Regierungschaos in Italien die Finanzmärkte weiter verunsicherte
„Wir sind einer gewissen politischen Einigung offensichtlich sehr nahe gekommen“, sagte der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, amtierender EU-Ratspräsident, nach Beratungen der 27 EU-Regierungschefs. Die Einigung über die Banken-Kapitalisierung sei „eine Grundvoraussetzung“ dafür, dass die 17 Euro-Chefs den Rest des Pakets aushandeln könnten.
Wie Diplomaten Rande des Treffens weiter sagten, verhandelte für die Euro-Staaten mit den Banken der Italiener Vittorio Grilli, der den Wirtschafts- und Finanzausschuss führt. Diplomaten sprachen von sehr schwierigen Gesprächen.
Klares "Ja" zum Hebel - Merkel erreicht Kanzlermehrheit
Bereits im Juli hatte die Eurozone beschlossen, Banken und Versicherungen bei einen neuen Hilfspaket für Griechenland mit einem freiwilligen Abschlag von 21 Prozent ins Boot zu holen. Wegen der verschlechterten Finanzlage des Landes muss dieser Satz nun steigen.
Von dem Forderungsverzicht hängt die Summe der staatlichen Hilfen für das zweite Griechenland-Paket ab. Die Zahlen sind dramatisch: Nach Berechnungen der internationalen Expertengruppe benötigt Athen bis 2020 rund 252 Milliarden Euro. Somit dürften die im Juli vereinbarten 109 Milliarden Euro an Hilfe nicht reichen.
Bei dem Gesamtpaket zur Lösung der Schuldenkrise geht es um eine Stärkung des Rettungsfonds EFSF und eine höhere Beteiligung der Banken an einem Schuldenschnitt für Griechenland.
Der belgische Regierungschef Yves Leterme forderte, der EFSF müsse eine Schlagkraft von „mindestens einer Billion Euro zu haben“, um ein solider Schutz zu sein. Über diesen Betrag hatte auch deutsche Spitzenpolitiker nach einer Unterrichtung durch Kanzlerin Merkel gesprochen.
Für die Stärkung der EFSF liegen zwei Optionen auf dem Tisch, bei denen der Garantierahmen Deutschlands von 211 Milliarden Euro unverändert bleibt.
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Eine Variante sieht eine Teilabsicherung neuer Anleihen aus Risikoländern wie Spanien und Italien vor. Im Pleite-Fall bekommt der Geldgeber zumindest einen Teil garantiert zurück. Die zweite Variante dreht sich um einen Kredit-Sondertopf des Internationalen Währungsfonds (IWF). Diplomaten gingen von einer Kombination aus. Derzeit kann der Fonds 440 Milliarden Euro Notkredite verleihen.
Führende Banken in Europa müssen ihr Kapital aufstocken, um den Schuldenschnitt Griechenlands in ihren Büchern zu verkraften. Die 27 EU-Staaten setzten dafür eine Frist bis zum 30. Juni 2012. Bis dahin müssen die systemrelevanten Banken ihre harte Kernkapitalquote auf neun Prozent anheben. Systemrelevante Banken würden bei einem Zusammenbruch das gesamte Finanzsystem gefährden.
Die Europäische Bankenaufsicht beziffert den Kapitalbedarf der Institute auf 106 Milliarden Euro. Das geht aus einer Veröffentlichung auf ihrer Webseite vom Mittwochabend während des Euro-Gipfels in Brüssel hervor. Demnach brauchen die griechischen Banken 30 Milliarden Euro, die spanischen Banken 26,161 Milliarden und die italienischen Banken 14,771 Milliarden Euro. Französische Institute sind mit 8,844 Milliarden veranschlagt, deutsche mit 5,184 Milliarden Euro.
Zur Not sollen die Banken die Auszahlung von Dividenden und Boni begrenzen. Deutsche Kreditinstitute brauchen nach Einschätzung von Finanzkreisen kein frisches Geld vom Staat.
Gerüchte um Berlusconi-Abschied
Aber nicht nur die Banken standen unter Druck, auch verschuldete Euro-Länder wie Italien mussten sich Kritik anhören. Italiens Premier Silvio Berlusconi legte konkrete Pläne für Reformen und den Schuldenabbau vor. Diese hätten „einen guten Eindruck gemacht und wurden wohlwollend aufgenommen“, sagte Tusk.
Deutschland und Frankreich hatten beim Gipfel am Sonntag genau diese Vorschläge von Berlusconi verlangt.
Zuvor hatte Berlusconi versucht, dem Koalitionspartner Lega Nord eine Rentenreform abzupressen. Angeblich soll Berlusconi resigniert haben: Nach unbestätigten Medienberichten will er binnen Wochen zurücktreten und den Weg für Neuwahlen 2012 freimachen. (dpa/abendblatt.de)