Die USA haben das selbst auferlegte Schuldenlimit von 14,3 Billionen Dollar überschritten. Ab August könnte das Land zahlungsunfähig sein.
Washington. 14.000 Milliarden Dollar - das ist nicht nur für Normalverdiener ein kaum vorstellbar hoher Betrag. So hoch ist der Schuldenberg, den die USA inzwischen angesammelt haben. 14 Billionen Dollar entsprechen knapp elf Billionen Euro - das ist etwa viermal so viel wie die gesamte Wirtschaftsleistung Deutschlands. Und höher als 14,3 Billionen Dollar dürfen die Schulden laut amerikanischem Gesetz nicht werden.
Finanzminister Timothy Geithner muss jetzt in die finanzpolitische Trickkiste greifen. Bis zum 2. August sieht er noch Spielräume - danach droht der weltgrößten Volkswirtschaft die Zahlungsunfähigkeit. Nie zuvor konnten die USA ihre Schulden nicht bedienen. Fast flehend klang es, als Geithner am Montag an die Republikaner gerichtet erklärte, es gehe darum, „das volle Vertrauen in die USA und ihre Kreditwürdigkeit zu schützen, um dadurch katastrophale wirtschaftliche Konsequenzen für ihre Bürger abzuwenden“.
Verglichen mit der immensen Sprengkraft, die ein auch nur kurzzeitiger Zahlungsverzug für die Weltwirtschaft hätte, blieben die Finanzmärkte gelassen. Bei Gefahr in Verzug müssten die Zinsen auf Staatsanleihen eigentlich steigen. Stattdessen fielen sie bei zehnjährigen Schuldtiteln von 3,7 Prozent im Februar auf unter 3,2 Prozent. Wirtschaftsexperten zeigten sich in einer am Montag veröffentlichten Umfrage des „Wall Street Journal“ mit übergroßer Mehrheit überzeugt, dass das Weiße Haus und die Republikaner bis August einen Deal schmieden werden, um das Schuldenlimit zu erhöhen.
Bis dahin steht Amerika über den Sommer wohl noch einiges an politischem Hickhack und Schaulaufen für die Wähler bevor - schließlich dürften der US-Schuldenberg zum Top-Thema des Präsidentschaftswahlkampfes 2012 werden. Schon im April inszenierten die Konservativen ein Scharmützel um den Bundeshaushalt 2011. Nach zähem Ringen konnte schließlich den Finanzkollaps abgewendet werden.
Noch kennt niemand den Weg, wie beide Seiten bei der Frage der Schuldendeckelung zueinanderfinden. Vizepräsident Joe Biden, Verhandlungsführer des Weißen Hauses, sprach vorige Woche von den Konturen einer Einigung. Am Sonntag meinte Republikaner Boehner hingegen: „Ich kann keine echte Bewegung erkennen.“ Eine der höchsten Hürden der delikaten Gespräche: Steuererhöhungen zum Stopfen des Etatlochs lehnen die Konservativen rundweg ab.
Damit die USA weiter ihre Rechnungen zahlen können, setzte Finanzminister Geithner am Montag vorerst neue Investitionen in staatliche Beamtenpensions- und Sozialfonds aus. Ist die Schuldengrenze erst einmal angehoben, würden die Mittel nachgeliefert, sagt er. Ruheständler hätten nichts zu fürchten.
Experten mutmaßen, dass das Ministerium noch weitere Asse im Ärmel hat. Schon 1995 und 1996 riss die Regierung die Schuldenlatte, als sich Präsident Bill Clinton und die Republikaner über die Staatsausgaben in den Haaren lagen. „Die Regierung hat schon in der Vergangenheit kreative Wege gefunden, die Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden“, schreibt das „Wall Street Journal“. So könnte für eine längere Periode die Ausgabe bestimmter Schuldtitel ausgesetzt werden.
Doch sind die Warnungen vor einem Spiel mit dem Feuer unüberhörbar. US-Notenbankchef Ben Bernanke mahnt schon seit längerem, die Schuldenobergrenze sei „keine Verhandlungsmasse“. Komme keine Einigung zustande, „wird der Anleihemarkt übel reagieren, und die Frage ist dabei – wie übel“, sagte der Chefökonom der Ratingagentur Standard&Poor's (S&P), David Wyss, dem „Wall Street Journal“.
Einen Warnschuss gab S&P bereits ab: Vergangenen Monat stellte die Firma die Kreditwürdigkeit der USA infrage. Sie werde deren Bonität zwar weiter mit der Bestnote „AAA“ bewerten. Jedoch senkte sie den Ausblick für die langfristige Beurteilung von „stabil“ auf „negativ“. Damit droht in den kommenden zwei Jahren eine Herabstufung – mit einer Wahrscheinlichkeit von 33 Prozent.