“Ich glaube, dass wir aus der Krise die richtigen Lehren ziehen“, sagte Kanzlerin Angela Merkel. Griechlenland muss konsequent sparen.
Brüssel. Angela Merkel hat sich erfreut über den Abschluss der Troika-Verhandlungen in Griechenland gezeigt. Das sei eine "gute Botschaft", sagte die Bundeskanzlerin zum Auftakt des zweiten EU-Gipfelstages in Brüssel. Experten von EU-Kommission, IWF und EZB hatten sich am späten Donnerstagabend mit der griechischen Regierung auf die Einzelheiten für das Athener Sparprogramm geeinigt, über das das Parlament am 30. Juli abstimmen soll. Es sieht Kürzungen von 28 Milliarden Euro bis 2014 vor.
Der EU-Gipfel habe verabredet, dass es ein neues Programm für Griechenland geben werde, sollte das Votum positiv ausfallen, sagte Merkel am Freitag. Die neue Hilfe werde sich aus freiwilligen privaten Beiträgen und aus öffentlichen Beiträgen zusammensetzen. Die Euro-Finanzminister sollten die Einzelheiten dazu ausarbeiten. Der Beschluss über die Eckpunkte des Programms ist für den 3. Juli vorgesehen, inklusive des freiwilligen Beitrages von Banken und Fonds.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten am Donnerstagabend auch über die engere wirtschaftspolitische Abstimmung beraten. Künftig solle jedes Jahr überprüft werden, "wo wir mit Blick auf die Arbeitslosigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit und Forschungsaufgaben stehen", sagte die Kanzlerin. "Ich glaube, dass wir aus der Krise die richtigen Lehren ziehen." (dapd)
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Die EU-Staats- und Regierungschefs stellen dem krisengeschüttelten Griechenland ein neues Hilfspaket in Aussicht. Daran solle der Internationale Währungsfonds IWF beteiligt werden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die gestern am späten Abend beim Krisen-Gipfel in Brüssel verabschiedet wurde. Vorbedingung sei die Billigung des Spar- und Privatisierungsprogramms der griechischen Regierung im Athener Parlament.
So will die Europäische Union das hoch verschuldete Griechenland auf einen harten Sanierungskurs bringen. Zuvor hatten die europäischen Staats- und Regierungschefs mit Frankreichs Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Spitze den griechischen Oppositionsführer Antonis Samaras gedrängt, seine ablehnende Haltung gegenüber dem von der Regierung in Athen geplanten harten Sparprogramm aufzugeben. Anderenfalls sollen die dringend benötigten weiteren Milliardenhilfen nicht fließen, und das Land wäre Mitte Juli zahlungsunfähig.
Doch der konservative Oppositionschef zeigte zunächst kein Einlenken. In der am späten Abend verabschiedeten Erklärung bekennen sich die Staats- und Regierungschefs zu einem neuen Programm, das mit öffentlichen und privaten Mitteln finanziert werden soll. Zugleich bestätigen sie die Beschlüsse der Finanzminister, dass die Beteiligung des privaten Sektors rein freiwillig sein soll. Außerdem soll den Griechen mit einer schnelleren Auszahlung von EU-Fördergeldern geholfen werden. Damit unterstützen die EU-"Chefs" den Vorschlag von Kommissionspräsident José Manuel Barroso, auf diese Weise kurzfristig eine Milliarde Euro für Athen zu mobilisieren, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen.
Nach dem vor einem Jahr für Griechenland ausgehandelten Rettungspaket über 110 Milliarden Euro an Hilfen muss jetzt ein Finanzloch von etwa 120 Milliarden Euro bis 2014 gestopft werden. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte, die EU vertraue darauf, dass Ministerpräsident Giorgos Papandreou sein Sparpaket im Parlament durchbringe. "Wenn man eine gemeinsame Währung hat, dann gibt es auch so etwas wie eine gemeinsame Verpflichtung", fügte Faymann hinzu.
Die Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds zahlen die nächste Kredittranche aus dem Rettungspaket erst aus, wenn das griechische Parlament am kommenden Dienstag einem umfangreichen Sparpaket für die kommenden Jahre zustimmt. Die Entscheidung über die nächste Tranche und das neue Rettungspaket soll bei einem Treffen der Finanzminister am 3. Juli fallen.
Griechen-Premier Papandreou hatte bei der Vertrauensabstimmung in dieser Woche eine Mehrheit mit den Stimmen seiner Pasok-Partei, doch die größte Oppositionspartei versagte der sozialistischen Regierung die Unterstützung. In Irland und Portugal dagegen, den beiden anderen von den Euro-Partnern geretteten Schuldenstaaten, ziehen Regierung und Opposition an einem Strang - allerdings erst nach einem Regierungswechsel. EU und IWF verlangen angesichts des über Jahre laufenden Kreditprogramms einen nationalen Konsens in Griechenland, damit der Sparkurs nach einem Regierungswechsel nicht geändert wird.
Bei den Gesprächen mit ihren großen Banken kommen die Euro-Staaten inzwischen voran. Die belgisch-französische Bankengruppe Dexia ist Finanzkreisen zufolge bereit, sich freiwillig an einem Hilfspaket zu beteiligen. Das Institut habe signalisiert, die Laufzeit von 4,2 Milliarden seiner griechischen Staatsanleihen zu verlängern. Auch in Italien sind mehrere Banken zu einem Zahlungsaufschub bereit. Die französische Credite Agricole hat ebenfalls Entgegenkommen signalisiert. Sie hat Griechenland besonders viel Geld geliehen. Das Bundesfinanzministerium spricht unter anderem mit der Deutschen Bank und der Allianz.
Ein Zahlungsaufschub würde dem Land eine Atempause verschaffen, um sein Defizit abzubauen, Reformen umzusetzen und wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Allein im Juli und August muss Griechenland Anleihen im Wert von mehr als neun Milliarden Euro zurückzahlen.
An den Finanzmärkten herrscht allerdings die Überzeugung, dass eine Insolvenz und ein Schuldenschnitt nicht zu verhindern sind. An den Aufschlägen auf Kreditausfallversicherungen auf griechische Staatsanleihen ließ sich ablesen, dass die Anleger dafür eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit einkalkulieren. US-Notenbankchef Ben Bernanke äußerte sich besorgt über eine ungeordnete Pleite Griechenlands: "Wenn eine Lösung der Situation misslingt, dann würde dies das europäische Finanzsystem und das weltweite Finanzsystem gefährden - und ich vermute auch die europäische Einheit."
In Athen wird derweil weiter an den Details des Sparprogramms gefeilt. Bisher ist für die nächsten vier Jahre die Erhebung einer Solidaritätssteuer vorgesehen. Zudem sollen alle Minister, Parlamentarier, höhere Beamte und andere gewählte Personen wie Bürgermeister fünf Prozent ihres Jahreseinkommens verlieren. Außerdem soll die Kfz-Steuer um zehn Prozent erhöht werden. Auch die Steuern auf Heizöl sollen um etwa fünf Prozent steigen. Bis 2013 soll Diesel und Heizöl gleich teuer werden. Der Teil der Renten, der 1700 Euro überschreitet, soll um zehn Prozent gekürzt und Zuschüsse für viele Staatsbedienstete abgeschafft werden. (Andreas Rinke, Ilona Wissenbach)