Das griechische TV hatte berichtet, der Präsident habe den Rücktritt angeboten, um die Bildung einer Einheitsregierung zu vereinfachen.

Berlin/Athen. Angesichts massiver Proteste gegen das Sparprogramm seiner Regierung hat der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou am Mittwoch die Umbildung seines Kabinetts angekündigt. Noch in dieser Woche wolle er sich mit seiner neuen Regierungsmannschaft der Vertrauensfrage im Parlament stellen, sagte Papandreou am Abend in Athen.

Zuvor waren Gespräche über die Bildung einer Großen Koalition mit dem konservativen Oppositionsführer Antonis Samaras gescheitert. „Das Land sieht schwierigen Zeiten entgegen“, sagte Papandreou. „Ich habe heute den Führern aller Parteien Vorschläge unterbreitet, um einen notwendigen nationalen Konsens zu schaffen. Ich habe klar gemacht, dass meine Verantwortung nicht von offiziellen Posten abhängt.“

Vor den stundenlangen Verhandlungen über eine mögliche Machtteilung hatten Vertreter der Opposition Papandreous Rücktritt gefordert. „Bevor wir über die wichtigen Themen verhandelt haben, sind öffentlich Bedingungen gestellt worden, die nicht akzeptabel waren“, sagte der Ministerpräsident.

Am Mittwoch hatten im ganzen Land Zehntausende Menschen mit einem 24-stündigen Generalstreik und Massenkundgebungen gegen das Sparprogramm der Regierung protestiert. Weite Teile des öffentlichen Lebens waren lahmgelegt. Busse, Bahnen und Schiffe fuhren nicht, Krankenhäuser hielten nur einen Notdienst aufrecht.

Die Regierung in Athen muss das Sparpaket über 28 Milliarden Euro für die Jahre 2012 bis 2015 noch in diesem Monat durch das Parlament bringen, um weitere Finanzhilfen zu bekommen. Um die Einsparungen zu erreichen, musste Papandreous Sozialistische Partei (PASOK) ihr Versprechen brechen, die Steuern nicht weiter zu erhöhen. Auf starken Widerstand stößt auch die Privatisierung von Staatsbetrieben.

Erst am Dienstag war die Mehrheit der PASOK im griechischen Parlament auf fünf Sitze geschrumpft. Aus Protest gegen das strikte Sparprogramm der Regierung hatte der Abgeordnete Giorgos Lianis seinen Parteiaustritt erklärt. Sollte das Gesetz über das Sparprogramm abgelehnt werden, wird die nächste Tranche des insgesamt 110 Milliarden Euro umfassenden Rettungspakets von EU und Internationalem Währungsfonds nicht an Griechenland überwiesen. (dapd)

Kommentare der deutschen Presse

„Landeszeitung“ (Lüneburg): Wer die Bilder aus Athen sieht, weiß: Das Land ist nicht nur finanzpolitisch ein Fass ohne Boden, sondern auch ein Pulverfass. Die von EU, EZB und IWF erzwungenen Sparprogramme drohen in eine Revolte der Bürger zu münden. Auch bei einem Regierungswechsel wäre Griechenland Anfang Juli pleite. Doch statt schnell zu handeln und ein Zeichen der Solidarität mit Athen zu senden, wird erbittert um das dringend benötigte zweite Hilfspaket gestritten. Ein Streit, der nicht dazu geeignet ist, Vertrauen in den Euro zu fördern. Deutschlands Maximalforderungen mögen einen Kompromiss erschweren. Doch ohne Beteiligung von Banken und Versicherungen wäre ein zweites Hilfspaket nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

„Rheinische Post" (Düsseldorf): Während Europas Finanzminister um die Rettung Griechenlands feilschen, steht das Land selbst vor einer Zerreißprobe. Gestern gingen erneut Zehntausende auf die Straße, um gegen das Sparprogramm zu demonstrieren. Ihr Zorn ist nachvollziehbar. Wieder mal muss der „kleine Mann“ die Folgen einer Misswirtschaft ausbaden, die ihm schlechte Regierungen eingebrockt haben. Allerdings sind diese Regierungen nicht vom Himmel gefallen, sondern von einer Mehrheit des Volkes gewählt worden, die sich gerne das Blaue vom Himmel versprechen ließ. Das Sparpaket ist nötig. In einem Land, in dem ein Viertel der Beschäftigten im Staatsdienst ist, liegt noch viel im Argen. Zudem trifft der Volkszorn mit Ministerpräsident Giorgos Papandreou den Falschen. Papandreou war es, der den Statistik-Schwindel seiner Vorgänger aufdeckte, er erreichte internationale Milliarden-Hilfe für sein Land. Wie schon jüngst in Portugal erweist sich auch in Griechenland der Sozialist als der bessere Patriot. Er kehrt die Scherben konservativer Misswirtschaft zusammen, auch wenn er dabei sein Amt zu verlieren droht. Viele Konservative (große Ausnahme: Wolfgang Schäuble) lassen Europa dagegen im Stich. Eine beschämende Entwicklung.

„Neue Osnabrücker Zeitung“: Das Griechenland-Drama spitzt sich immer mehr zu. Damit wächst die Gefahr einer neuen europäischen Finanzkrise. In Athen und Brüssel ticken Bomben, die dringend entschärft werden müssen. Je länger Unsicherheit herrscht, desto schwieriger wird es, eine Lösung zu finden, bei der auch private Gläubiger einen nennenswerten Beitrag zur Lösung der Krise beitragen. Denn die nervösen Rating-Agenturen neigen immer stärker dazu, eine solche Regelung als Staatspleite zu werten. Ohne eine Beteiligung von Banken und Versicherungen wird es aber keine deutsche Zustimmung zu dem dringend benötigen zweiten Rettungspaket geben. Zugleich müssen die Griechen auch in die Lage versetzt werden, ihre gigantischen Schuldenberge abzutragen.

„Ostsee-Zeitung“ (Rostock): Diese zermürbende Perspektivlosigkeit ist es, die die Bürger in Athen, Piräus oder Thessaloniki auf die Straßen und womöglich an den Rand eines Bürgerkrieges treibt. Sie sollen noch mehr und noch härter sparen, damit das Land unvorstellbare Milliardensummen aus EU- und IWF-Töpfen erhält, die sie aber nie zu sehen bekommen. Denn das Geld wird umgehend auf die Konten der Gläubiger – vor allem Banken, Versicherungen und Hedgefonds - umgeleitet. Zur Sanierung der Wirtschaft oder zum Aufbau einer effektiven Verwaltung ist bisher kein Euro eingeplant. Das Diktat des Sparens ist so absolut wie unsinnig, denn es lässt keinen Raum, um dem Teufelskreis von wachsender Arbeitslosigkeit und Verlust der Steuerbasis zu entrinnen. Die Milliarden von EU und IWF sind wie Drogenspritzen, die einem ohnehin rauschgiftsüchtigen Junkie verabreicht werden, um ihn ruhig zu stellen. Von der Nadel kommt der dadurch nicht los. Helfen kann nur noch eine radikale Entzugs-Therapie, die mit einer ehrlichen Diagnose beginnt. Und im Fall Griechenland heißt die: Das Land ist bankrott. Schuldenschnitt und vermutlich eine Rückkehr zur Drachme sind unumgänglich.“