Oppositionsvertreter verlangen Rücktritt – Tausende protestieren gegen Sparprogramm – Zeitplan für Hilfsberatungen wankt
Berlin/Brüssel. Die griechische Regierung hat Verhandlungen mit der Opposition über eine mögliche Machtteilung aufgenommen. Der sozialistische Ministerpräsident Giorgos Papandreou traf sich am Mittwoch mit dem konservativen Oppositionsführer Antonis Samaras zu einem Gespräch über die Bildung einer Großen Koalition, wie der staatliche Fernsehsender NET berichtete. Zuvor hatten im ganzen Land Zehntausende Menschen mit einem 24-stündigen Generalstreik und Massenkundgebungen gegen das Sparprogramm der Regierung protestiert.
Ranghohe Oppositionsvertreter sprachen sich für einen Rücktritt Papandreous aus. „Das wichtigste Mitglied einer Schiffsbesatzung ist der Kapitän, und der Kapitän muss gehen“, sagte der stellvertretende Parteichef der Konservativen, Theodoros Karaoglou. „Wenn wir unsere Kräfte bündeln, können wir zusammen zu unseren Gläubigern gehen, um zu verhandeln, und das Ergebnis wäre natürlich besser.“
In Athen wurden bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und der Polizei mindestens zehn Menschen verletzt. Weite Teile des öffentlichen Lebens waren lahmgelegt. Busse, Bahnen und Schiffe fuhren nicht, Krankenhäuser hielten nur einen Notdienst aufrecht.
In Athen versammelten sich rund 20.000 Menschen zu einer Protestaktion. Auf dem zentralen Syntagma-Platz in der Hauptstadt warfen Jugendliche Brandbomben und Steine und zertrümmerten die Fensterscheiben eines Luxushotels. Die Polizei setzte Tränengas ein. Mülleimer standen in Brand, Tische und Stühle umliegender Cafés lagen auf der Straße. Zuvor war die Demonstration mit mehr als 25.000 Teilnehmern noch weitgehend friedlich verlaufen. Auch in der Stadt Thessaloniki gingen 20.000 Menschen auf die Straße.
Die Menge forderte auf dem Syntagma-Platz in Sprechchören den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsident Giorgos Papandreou. Nach Polizeiangaben wurden etwa 20 Demonstranten kurzzeitig festgenommen, nachdem sie versucht hatten, Abgeordnete am Betreten des Parlaments zu hindern. Als die Fahrzeuge von Papandreou und Präsident Karolos Papoulias vorbeifuhren, waren aus der Menge Buhrufe zu hören. Etwa 5.000 Polizisten waren im Einsatz, um die Demonstranten vom Parlament fernzuhalten.
Die Regierung muss das Sparpaket über 28 Milliarden Euro für die Jahre 2012 bis 2015 noch in diesem Monat durch das Parlament bringen, um weitere Finanzhilfen zu bekommen. Um die Einsparungen zu erreichen, musste Papandreous Sozialistische Partei ihr Versprechen brechen, die Steuern nicht weiter zu erhöhen. Auf starken Widerstand stößt auch die Privatisierung von Staatsbetrieben.
Gleichzeitig wackelte in Brüssel der Zeitplan für das neue Milliarden-Rettungspaket. Für Donnerstag erwartet Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Berlin den designierten Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, für Freitag den französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Am Donnerstag wurde auch der neue Bundesbank-Chef Jens Weidmann bei Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker in Luxemburg erwartet.
Nachdem die Eurogruppe am Dienstag keine Fortschritte erzielte, wurde für Sonntag eine Krisensitzung in Luxemburg angesetzt. Doch auf die Frage, ob bis zum EU-Gipfel am 24. Juni ein Durchbruch gelingen werde, sagte der luxemburgische Finanzminister Luc Frieden nur: „Das werden wir sehen.“
In Paris teilte die Bewertungs-Agentur Moody's mit, sie prüfe die Herabstufung von drei französischen Banken wegen der Risiken aus einer möglichen Staatspleite Griechenlands. Es gehe um den Crédit Agricole, die BNP Paribas sowie die Société Générale. Alle drei Banken könnten unter einem Staatsbankrott oder einer Umschuldung Griechenlands leiden, erklärte Moody's.
Dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel gehen die Pläne der Bundesregierung für eine Umschuldung Griechenlands nicht weit genug. „Wenn wir Akzeptanz schaffen wollen, müssen wir einen harten Schuldenschnitt machen, bei dem die Gläubiger auf einen beträchtlichen Teil ihrer Forderungen verzichten“, sagte er der „Zeit“. Parallel hierzu müsse ein „nicht unerheblicher Teil der Kredite“ in sogenannte Euro-Bonds, für die die Euro-Staaten gemeinsam bürgen würden, umgewandelt werden.
Der Finanzwissenschaftler Clemens Fuest griff die EZB an. „Die EZB ist zu weit gegangen“, schrieb er in einem Gastbeitrag für das „Handelsblatt“ (Mittwochausgabe). „Mit der Drohung, im Falle einer Laufzeitverlängerung die Versorgung der griechischen Banken mit Liquidität einzustellen, hat die EZB ihr Mandat überschritten und sich unnötig dem Verdacht ausgesetzt, sie sei nur daran interessiert, den Wert ihrer eigenen Bestände an griechischen Staatsanleihen zu sichern“.
Der frühere Finanzminister Theo Waigel sprach sich für „Hilfe zur Selbsthilfe“ aus. „Ich glaube, dass Hilfe zur Selbsthilfe der richtige Weg ist. Dafür muss Griechenland aber noch wesentlich mehr tun, als das bisher erkennbar geworden ist. Zudem hätte ich nichts gegen eine sanfte Umschuldung, wenn das im Einvernehmen gelingt“, sagte der CSU-Politiker dem „Tagesspiegel“ (Mittwochausgabe).