Barroso will Griechenland rasch Zugang zum Entwicklungsfonds der EU gewähren. Mit dem Geld sollen Arbeitsplätze geschaffen und die Wirtschaft wettbewerbsfähiger gestaltet werden.
Brüssel. Es sollte ein normaler EU-Gipfel werden. Doch Griechenlands Lage lässt das Treffen der EU-Partner zur Krisensitzung werden. Premier Papandreou fordert ein Bekenntnis der Union für das Überleben seines Landes. Die EU macht mit – aber nur unter strengen Bedingungen.
Griechenlands bedrängter Premier Giorgos Papandreou bekommt für seinen umkämpften Sparkurs Rückendeckung vom EU-Gipfel. Die EU-Chefs arbeiteten zum Auftakt ihres zweitägigen Spitzentreffens an einer Solidaritätserklärung für das krisengeschüttelte Land. Im Gegenzug verlangten sie entschlossene Reformen und schmerzliche Einschnitte für die Bürger, um die drohende Staatspleite abzuwenden. Oppositionsführer Antonis Samaras soll seine Blockadehaltung aufgeben und helfen, das Land aus dem Sumpf zu ziehen. Die EU will ihm mit vorgezogenen Auszahlungen aus ihren Fördertöpfen entgegenkommen, um das Land aus der Rezession zu holen.
Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte am Donnerstagabend, der EU-Gipfel in Brüssel werde wohl einen Text zur Krise beschließen. „Dies kann eine Erklärung sein, wo man darauf hinweist, dass die Gemeinschaft bereit ist, die Stabilität des Euros unter gewissen Auflagen zu unterstützen.“ Das griechische Parlament dürfe „keinen Zweifel darüber haben, dass die Gemeinschaft solidarisch ist, aber dass das mit Bedingungen verbunden ist“.
Das Athener Parlament stimmt kommende Woche über das umstrittene Spar- und Privatisierungsprogramm Papandreous ab. Falls der Premier scheitert, geben die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) kein Geld mehr, und das hoch verschuldete Land ist direkt pleite.
Bundeskanzlerin Angela Merkel pochte darauf, dass in „einer solchen Situation alle zusammenstehen müssen in einem Land“. Die Spitzen der konservativen Parteien Europas hätten bei einem Treffen vor dem Gipfel an Oppositionschef Samaras appelliert, „der historischen Verantwortung gerecht zu werden“, berichtete die CDU-Vorsitzende. „Das ist in Portugal gelungen, das ist in Irland gelungen und deswegen habe wir dafür geworben, dass das auch in Griechenland gelingt.“ Unmittelbar vor diesem Parteientreffen hatte Samaras die Pläne der Regierung in Athen noch abgelehnt.
Der Sozialist Papandreou sagte: „Das ist ein Kampf für Griechenland, für unser Land.“ Er fügte hinzu: „Aber es ist auch ein Kampf für die europäische Währung und das gemeinsame Europa.“ Er erwarte, dass die Union einen Rahmen schaffe, um mit der Krise fertig zu werden. „Wenn es ein starkes Engagement der EU gibt, wird es auch ein starkes Engagement des Parlaments geben.“
Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy machten zum Gipfelstart die Rettung Griechenlands zur Chefsache. Sie berieten bereits vorab in kleiner Runde mit anderen EU-Spitzen – darunter der Präsident der Europäischen Zentralbank, Jean-Claude Trichet – über Auswege aus der ganz Europa bedrohenden Krise.
Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker sagte, beim Spitzentreffen werde es keine operativen Beschlüsse geben. Der Fahrplan sei von den Euro-Finanzministern, die vom ihm geführt werden, bereits vorgegeben. Demnach soll erst am 3. Juli über neue Hilfen für Athen entschieden werden. „Es gibt keinen Plan B“, sagte Juncker auf Fragen, was passiere, falls das Sparprogramm im Athener Parlament scheitern sollte.
Die Gipfelteilnehmer wollten ein Konjunkturprogramm mit Geldern aus EU-Strukturfonds für Griechenland auf den Weg bringen. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso hatte vorgeschlagen, so rund eine Milliarde Euro zu mobilisieren. Diesen Vorschlag dürften die Staats- und Regierungschefs nach Diplomaten-Einschätzung bestätigen.
Samaras blieb zunächst jedoch auch in Brüssel bei seiner Ablehnung des Athener Regierungsprogramms. „Wir brauchen korrektive Maßnahmen“, sagte er. Papandreou wolle Steuererhöhungen trotz Wirtschaftskrise durchsetzen – das schaffe Probleme.
In europäischen Hauptstädten sprechen die Finanzministerien derweil mit privaten Gläubigern wie Banken und Versicherungen über eine Beteiligung an der Griechenland-Rettung. Deren Beitrag kann nur freiwillig sein. Eine Grundsatzeinigung zur Einbindung der privaten Gläubiger hatten die Euro-Kassenhüter zu Wochenbeginn erzielt. Vor allem Berlin hatte Druck gemacht, sich aber mit seinen weitreichenden Vorstellungen nicht durchsetzen können.
Ein weiteres Gipfelthema, die Verschärfung der europäischen Wirtschaftsaufsicht und des Euro-Stabilitätspaktes, konnte der Gipfel allerdings nicht endgültig auf den Weg bringen. Das Europaparlament verschob am Donnerstag die Schlussabstimmung über die seit Monaten debattierte Gesetzgebung bis zum 5. Juli. Nun sind weitere Verhandlungen zwischen Europaparlament und EU-Ministerrat nötig. Merkel sagte zu dem ausstehenden Abschluss: „Ich bin sehr optimistisch, dass uns das in den nächsten Tagen gelingen wird.“
Mit der neuen Wirtschafts- und Budgetaufsicht zieht die EU die Lehre aus den Schuldenkrisen in Griechenland und anderen Staaten. Defizitsünder sollen künftig früher und härter bestraft werden.
Am Freitag werden die EU-Chefs zum Abschluss über die Zukunft des Schengen-Vertrags und die angespannte Lage in der arabischen Welt beraten.